Wissenswertes über die Kosten eines psychologischen Sachverständigengutachtens

In familienrechtlichen Verfahren, in denen es um die elterliche Sorge oder den Umgang geht, muss das Gericht von Amts wegen Ermittlungen zur Feststellung der Tatsachen durchführen. Hierzu ist nicht selten die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich. Auch ohne Antrag der Parteien kann ein Sachverständiger (SV) bestellt werden. Das löst oft erhebliche Gebühren aus.

Für unsere Mandant*innen besteht ein großes Kostenrisiko, da die Kosten des Verfahrens von den Parteien in der Regel hälftig getragen werden müssen. Die Kosten eines Gutachtens liegen durchschnittlich mittlerweile bei 6.000,00 €, bei hochstreitigen Verfahren bis zu 15.000,00 € und mehr. Das Oberlandesgericht Nürnberg (FamRZ 2019, 130) hatte über SV-Kosten von 13.358,49 € zu entscheiden.

Im Vergleich hierzu belaufen sich die Anwaltsgebühren bei einem Regelstreitwert von 4.000,00 € auf 850,85 € bzw. 1.181,67 €, schließt man einen Vergleich ab.

Ermessen des Gerichts

Das Gericht entscheidet nach eigenem Ermessen, wann ein SV beauftragt wird. Macht das Gericht hierbei einen Fehler läge ein erheblicher Mangel vor und löste keine Kosten aus. Dies wird z. B. bejaht, wenn das Gericht einen Psychiater als SV beauftragt, obwohl ein Psychologe gefragt ist. Oder es hat eigene Sachkunde, verschiebt die Entscheidung aber auf den SV. Dies passiert immer wieder, ist aber schwer nachzuweisen!!

Kosten bei Ablehnung des Sachverständigen

Die Beteiligung an den Kosten besteht für eine Partei auch, wenn sie ein Gutachten ablehnt. Rechtsmittel gibt es nicht, nur die Ablehnung des SV und des Gerichts, auch das ist sehr schwierig.

Hinweispflichten des Gerichts auf die Kosten der Sachverständigen

Das Gericht hat nicht die Pflicht, eine Wirtschaftlichkeitsprüfung vorzunehmen, das ist Aufgabe des SV. Allerdings muss das Gericht den SV (§§ 407 a V, 404 a ZPO) leiten: Es hat Weisungen zu erteilen über den Umfang seiner Tätigkeit, (§ 404 a I) es bestimmt, welche Tatsachen der SV der Begutachtung zugrunde legen soll, (§ 404 a III) es bestimmt auch, in welchem Umfang der SV zur Aufklärung der Beweisfrage befugt ist (§ 404 a IV).

Das legt einen Rahmen fest, um zu verhindern, dass der SV einfach „loslegt“, Fragen beantwortet, die nicht Beweisthema sind und seinen Auftrag eigenmächtig erweitert mit entsprechender Kostenexplosion.

Stellen wir Anwält*innen dies fest, müssen wir bei Gericht darauf hinwirken, dass keine unnötigen kostenauslösende Untersuchungen angestellt werden.

Hinweispflichten der Sachverständigen

Im Gesetz (§ 407 a IV S. 2 ZPO) steht:

„Erwachsen voraussichtlich Kosten, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes stehen oder einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen, so hat der Sachverständige rechtzeitig hierauf hinzuweisen.“

Es gibt keine gesetzliche Definition des Tatbestandsmerkmals erkennbar, gleiches gilt für gesetzliche Vorgaben, wann eine Kostenvorschuss erheblich überschritten wird.

In der Regel werden vom Gericht 2.000,00 € als Kostenvorschuss angefordert. Überschreitet ein Gutachter diesen Betrag, sollte man annehmen, dass dies unverhältnismäßig ist. Das Oberlandesgericht Nienberg hat dies verneint.

Dabei muss man wissen, dass ein Kostenvorschuss oft überhaupt nicht eingefordert wird, denn die Zahlung ist nicht Voraussetzung für die Beauftragung des Sachverständigen.

Im Laufe des Verfahrens sollte das Gericht immer wieder gedrängt werden, mitzuteilen, welche Kosten bereits entstanden sind und mit welchen noch zu rechnen ist.

Warum sind Gutachten so teuer geworden?

Ein Grund ist sicherlich, dass Sorgerechtsstreitigkeiten grundrechtsrelevant sind, das Gericht muss eine sichere Entscheidungsgrundlage finden und für Eltern sind die Entscheidungen von existentieller Bedeutung. Das führt zu umfangreichen Ermittlungen, die teuer bezahlt werden müssen.

Auch wenn die Anzeigepflicht des Gutachters gesetzlich festgelegt ist, führt dies noch lange nicht zur Kürzung der Vergütung. Das geschieht nur, wenn ein schuldhafter Verstoß vorliegt.

Hinzukommen muss, dass der Auftrag an den SV bei Hinweis auf die erhöhten Kosten eingeschränkt oder zurückgenommen worden wäre. Es sieht also nicht gut aus.

Beratungshinweise:

Was können und müssen wir als beratende Anwält*innen tun?

Beweisfragen des Gerichts

Wir müssen darauf achten, dass Sachverständige sich grundsätzlich auf die Untersuchungen beschränken, die Antworten auf die gerichtlich vorgegebenen Fragen geben. Überschreitet er diesen Auftrag, gibt es keine oder zumindest gekürzte Gebühren (§ 407 a IV S.1).

Wenn die Beweisfragen nur allgemein formuliert wurden, lädt das den SV ein, hier umfassend zu explorieren. Also ist schon in diesem frühen Stadium darauf hinzuwirken, dass die Fragen eingegrenzt werden.

Lösungsorientierte Begutachtung als Kostenfalle

Besonders kostenträchtig ist die lösungsorientierte Begutachtung. Was ist hierunter zu verstehen?

Neben dem Beweisthema, bei dem ein sog. entscheidungsorientiertes Gutachten zu erstellen ist, finden Sie in den Beweisbeschlüssen regelmäßig einen Auftrag zur lösungsorientierten Begutachtung.

Die gesetzliche Vorgabe lautet:

„Das Gericht kann in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, anordnen, dass der Sachverständige bei der Erstellung des Gutachtens auch auf die Herstellung des Einvernehmens zwischen den Beteiligten hinwirken soll.“ (§ 163 II FamFG)

Ohne ausdrücklichen richterlichen Auftrag darf der SV überhaupt nicht vermittelnd tätig werden. Tut er es dennoch, wären Kosten nicht zu erstatten.

Erfolgt – wie in der Regel – die kombinierte Anordnung tauchen zahlreiche Probleme auf, die unter Kostenaspekten wichtig werden können:

  • Sind die SV für die Vermittlung qualifiziert?
  • Haben sie eine therapeutische oder familientherapeutische Ausbildung?
  • Haben sie eine Ausbildung als Mediator*innen?
  • Sind sie ausgebildet in lösungsorientierter oder Konfliktberatung?

Fehlen die notwendigen Qualfikationen, ist der Sachverständige abzulehnen.

Bei der lösungsorientierten Begutachtung entsteht eine Grauzone, in der meist keine Protokolle erstellt werden und der SV in verschiedenen Rollen agiert. Diese Rollenvielfalt ist durch den gerichtlichen Auftrag meistens nicht mehr gedeckt.

Zudem wird den Eltern die Möglichkeit genommen, zu entscheiden, ob sie nicht lieber außerhalb des gerichtlichen Verfahrens einen Mediator beauftragen, der gegenüber dem Gericht schweigen muss. Der SV darf gegenüber dem Gericht nicht schweigen – ein weiteres großes Dilemma – aber ein anderes Thema.

Wir Anwält*innen müssen im laufenden Verfahren in die lösungsorientierte Begutachtung eingreifen, weil die finanziellen Anreize für Gutachter*innen erheblich sind. So können sie ohne, dass man es noch nachvollziehen kann, zeitlich und kostenträchtig umfangreich ermitteln und vermitteln. Immer unter dem Obersatz, jede Einigung der Eltern ist besser als eine richterliche Entscheidung.

Diese Überlegung ist übrigens auch in den Köpfen der Richter*innen, ob sie stimmt, ist nicht erforscht. Ich wage das zu bezweifeln, weil eine zeitnahe Entscheidung des Gerichts oft eher zur Beendigung des Streites beiträgt.

Wir Anwält*innen sollten eingreifen, wenn die Vermittlungsgespräche z. B. zwei Monate überschreiten.

Wir sollten auch darauf drängen, dass der SV einen Zwischenbericht abgibt, um entscheiden zu können, ob die Phase der Vermittlung zu beenden ist.

Zuvor muss man die Madant*innen fragen, ob sie noch einigungsbereit sind, die Kostenfolge erklären, ihnen letztlich aber die Verantwortung übergeben, wenn sie der Ansicht sind, sie können eine Einigung schaffen, weil sie dem SV vertrauen.

Viele sind erleichtert, wenn wir ihnen durch Aufklärung den Druck zur verordneten Kooperation durch Gericht und SV nehmen.

Verfahrenskostenhilfe

Auch die prozessarme Partei muss die Kosten des Gutachtens tragen, wenn sie wieder zu Geld kommt, z. B. bei einer güterrechtlichen Zahlung.

Kostenvermeidung ist also am besten. Auf jeden Fall ist ein lösungsorientiertes Gutachten nicht erwünscht, wenn die Beratungs- und Vermittlungsmöglich-keiten ausgeschöpft waren, man denke an Waage, Kinder im Blick, Caritas, KSD und sonstige Einrichtungen. In einem solchen Fall soll ein entscheidungsorientiertes Gutachten erstellt werden.

Möglichkeiten sich gegen festgesetzte Kosten zu wehren

Sind die Kosten erst einmal festgesetzt, gibt es zahlreiche Probleme.

Der SV erhält einen Erstattungsanspruch gegenüber der Staatskasse, die wiederum die Kosten von den Parteien beitreiben kann und zwar mit unmittelbaren Vollstreckungsmöglichkeiten aus dem Kostenfestsetzungs-beschluss.

Einwendungen hiergegen kann der Schuldner nur im Erinnerungsverfahren (§ 66 GKostG) geltend machen und dies auch nur wegen unrichtiger Sachbehandlung oder bei Befangenheit des Sachverständigen.

Die Kosten des Gutachtens gehören zu den Auslagen und können nur in Ausnahmefällen (§ 20 FamGKG) niedergeschlagen werden. Dies setzt aber eine unrichtige Sachbearbeitung durch das Gericht voraus. Die Einwände hier sind sehr begrenzt.

Das Gericht kann nach billigem Ermessen (§ 81 FamFG) den Beteiligten ganz oder zum Teil die Kosten des Verfahrens auferlegen. Es werden im Gesetz Regelbeispiele genannt. Diese sind so eng gefasst, dass sie praktisch nicht vorkommen.

Hier müssen wir Anwält*innen im Kosteninteresse der Mandantschaft versuchen, Einfluss auf die Rechtsprechung zu nehmen. Es gibt Argumente:

Wenn ein Elternteil, der das dreifache Einkommen hat, schon allein für den Unterhalt der minderjährigen Kinder aufkommen muss, warum dann nicht die Kosten des Sachverständigen auch quoteln!

Ansonsten hat man noch die „magere Möglichkeit“, die Entschädigung des SV (§ 8 JVEG) herabsetzen zu lassen, wenn z. B. die Rechnung sachlich und rechnerisch falsch ist, weil die Stundenzahl oder die Honorargruppe zu hoch ist. Üblich sind derzeit 100,00 € pro Stunde. Bei der Stundenzahl gibt es Richtwerte, die Sie in der Kommentierung finden oder in der bereits erwähnten Entscheidung des OLG Nürnberg.

Hat man einen Gutachter erfolgreich abgelehnt –wann gelingt das schon- müssen gar keine Kosten gezahlt werden.

Es gibt auch keine Kostenerstattung, wenn der Gutachter die Kosten nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von 3 Monaten geltend gemacht hat, ein eher seltener Fall.

Im laufenden Verfahren kann der Mandant sich über die Vergütung nicht beschweren, erst nach Abschluss des Verfahrens (§ 57 FamGKG).

Fazit

Wir können feststellen,

  • dass Gerichte schneller als früher Gutachten in Auftrag geben,
  • das Problem nicht selten an den Sachverständigen abschieben und
  • die Sachverständigen insbesondere bei der lösungsorientierten Beauftragung umfangreiche Ermittlungen anstellen und hierdurch die Vergütung unangemessen hoch wird.

Anwält*innen müssen verschärft auf die Kosten des Sachverständigen achten. Notwendig ist, dass alle Verfahrensbeteiligten sensibilisiert werden für die Kosten des Gutachtens, um nicht böse überrascht zu werden.

Margarete Fabricius-Brand

Margarete Fabricius-Brand

Als Fachanwältin für Familienrecht mit langjähriger Praxiserfahrung und Diplom-Psychologin verfüge ich über Spezialkenntnisse, die mich befähigen, Ihre familienrechtlichen Probleme zu lösen.