„Zwei Zuhause“ – Gibt es Probleme mit dem Wechselmodell?

I. Das Kind im Blick beim Wechselmodell?

Unter Wechselmodell versteht man den  zeitlich gleich aufgeteilten Aufenthalt der Kinder bei ihren Eltern. Sie haben dann zwei „Zuhause“. Es gibt Kinder, die das gut vertragen, es gibt aber auch gegenteilige Beispiele.

Ich erinnere mich an einen 5-jährigen Jungen, der sein „Schnuffeltuch“ Tag und Nacht in der Hand behielt, offensichtlich war er durch den häufigen Wechsel zwischen beiden Haushalten durcheinander. Ich kenne aber auch den Fall einer 15-jährigen die begeistert war, dass sie endlich wählen konnte, wo sie sich aufhielt. Sie genoss es, mit der Mutter die „Frauengespräche“ zu führen und sich vom Vater „verwöhnen“ zu lassen.

Man sieht, es muss jeder Einzelfall geprüft werden: Es gibt Kinder, die möchten nur „ein Zuhause“ haben. Der Wechsel von Mutter zu Vater verlangt von ihnen  Anpassungen, die ihre Fähigkeiten übersteigen. Viele Kinder ziehen sich zurück, manche werden sogar auffällig. Am Ende einer Woche sind auch Kinder nicht selten erschöpft vom Schul-,Freizeit- und Förderprogramm, dann wollen sie in „ihrem Zimmer“ sein und einfach nichts mehr tun.

Eltern sind mit der „Halbe-Halbe-Regelung“ oft glücklich, weil sie im Alltag die Entwicklung der Kinder beeinflussen  und miterleben können. Sieht man sich nur vierzehntägig an den Wochenenden, ist die Zeit hierzu zu knapp.

II. (Noch) Keine Rechtsgrundlage für das Wechselmodell in Deutschland

In Deutschland gibt es keine gesetzliche Regelung über das Wechselmodell.

Verständigen sich Eltern, das Wechselmodell zu praktizieren, so ist dies möglich, da sie  ihre Beziehung zum Kind als Inhaber der elterlichen Sorge selbst regeln können. Das ergibt sich aus dem Grundgesetz.

Umstritten ist die Frage, ob das Wechselmodell gerichtlich angeordnet werden kann, wenn nur ein Elternteil dies wünscht. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage noch nicht entschieden, auch nicht das Bundesverfassungsgericht.

Es stehen sich zwei „ juristische Lager“ gegenüber:

Nach der überwiegenden Auffassung kann das Wechselmodell in Deutschland mangels einer Rechtsgrundlage  nicht angeordnet werden.  Dies soll auch dann gelten, wenn das Gericht der Auffassung ist, das Wechselmodell wäre für das  Kind am besten. Nach der Gegenauffassung ist eine gerichtliche Anordnung des Wechselmodells aus Gründen des Kindeswohls sehr wohl möglich. Es wird argumentiert, dass RichterInnen schon jetzt Maßnahmen anordnen, die  in die elterliche Sorge oder das Umgangsrecht eingreifen. Dann dürfen sie von Eltern auch verlangen, das Wechselmodell zu praktizieren.

III. Vorschläge des Europarates zum Wechselmodell

Der Europarat „befeuert“ diese Debatte in Deutschland. Wie schon in vielen europäischen Ländern, solle auch Deutschland das Wechselmodell im Gesetz verankern und zwar als Regelfall. Die wesentlichen Argumente, kurz zusammengefasst, lauten wie folgt:

  • Kinder wünschten von sich aus, gleich viel Zeit mit Mutter und Vater zu verbringen. Das vermeide Streit, unter dem Kinder am meisten litten.
  • Die Gleichstellung von Mutter und Vater in der Erziehung der Kinder müsse ab Geburt gewährleistet sein und gefördert werden.
  • Vätern werde die dauerhafte Beziehung zu ihren Kindern vorenthalten, dabei sei es ihr Recht, gemeinsam mit der Mutter die Sorge auszuüben.
  • Das Wechselmodell sei geeignet, Geschlechterstereotypen in Bezug auf die Rolle von Männern und Frauen in der Familie zu überwinden.
  • Beim Wechselmodell müssten Sozialleistungen geteilt werden.
  • Nur bei Kindesmisshandlung, häuslicher Gewalt oder Vernachlässigung des Kindes soll das Wechselmodell außer Kraft gesetzt werden können.

IV.Bedenken

Was ist hiervon zu halten ? Es gibt einiges abzuwägen:

Herz und Verstand der Menschen werden beeinflusst durch neue Gesetze. So ging ein „Aufschrei“ durch die Republik, als 1998 in der Kindschaftsrechtsreform die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall verordnet wurde. Heute ist dies allseits akzeptiert.

Und die nichtehelichen Mütter „liefen Sturm“, als vor drei Jahren das Gesetz in Kraft trat, dass nichteheliche Väter mit den nichtehelichen Müttern die elterliche Sorge gemeinsam ausüben und zwar als Regelfall. Um die Debatte ist es stiller geworden.

Werden wir uns also auch an das Wechselmodell als Regelfall gewöhnen? Noch rufen die Vorschläge aus Brüssel heftige Reaktionen hervor.

Bei der Gesetzesänderung sollte man im Auge behalten, dass es  hier nicht um die rechtliche „Gleichstellung“ von Vätern und Müttern geht. Diese ist erfreulicherweise schon längst durchgesetzt. Es geht hier auch nicht darum, dass man Rücksicht auf die Verlustängste von Vätern und Müttern nimmt, die für die Eltern am besten überwunden werden, wenn die Kinder „halbe-halbe“ betreut werden. Man weiß, dass Väter oft unter der Abwesenheit ihres eigenen Vaters gelitten haben und dies ihren Kindern ersparen möchten. Man weiß, dass Mütter Vätern wenig zutrauen, die Kinder ordentlich zu versorgen.

Wichtig ist, die Kinder im Blick zu behalten, ob sie mit dem Wechselmodell und den hohen Anpassungsleistungen zurechtkommen, oder ob das regelmäßige Kofferpacken zu anstrengend wird. Schließlich können auch finanzielle Probleme entstehen, wenn Dinge doppelt angeschafft oder Fahrdienste geleistet werden müssen. Viele Familien können sich das nicht leisten, zumal wenn Sozialleistungen eben nicht doppelt sondern nur einmal gezahlt werden.

Und was ist, wenn der Vater das Wechselmodell mit seinem Beruf nicht vereinbaren kann? Oder die Mutter entscheidet, zu studieren und  will/kann die Kinder nicht zu sich nehmen. Wer zahlt dann die (Fremd)Betreuung für „seine“  Woche?? Die Dinge sind noch nicht zu Ende gedacht, aber man hat damit begonnen.

V.Fazit

Meiner Meinung nach sollte das Wechselmodell nicht als Regelfall, sondern als eine Möglichkeit in das Gesetz aufgenommen werden. Wenn es dem Wohl des Kindes entspricht, soll es durch die Gerichte auch angeordnet werden können.

Margarete Fabricius-Brand

Margarete Fabricius-Brand

Als Fachanwältin für Familienrecht mit langjähriger Praxiserfahrung und Diplom-Psychologin verfüge ich über Spezialkenntnisse, die mich befähigen, Ihre familienrechtlichen Probleme zu lösen.