Papacheck – Der Vaterschaftsnachweis für zu Hause oder ein genetischer Lauschangriff auf die ganze Familie?

Beitrag Zeitschrift „Kinderschutz aktuell“ Nr. 4/2002. 

Diese Fragen quälten meinen Mandanten schon lange, verstärkt im laufenden Scheidungsverfahren. Er will von mir wissen, ob er den papacheck heimlich machen darf, und wenn nicht, ob er seine Frau auf Zustimmung verklagen kann. Wenn feststeht, daß er nicht der Vater ist, will er sofort jegliche Unterhaltszahlungen an Frau und Kind einstellen.

Als Material für den Test reichen Blut, Mundschleimhaut, Haare mit Wurzeln oder Nasenschleim aus. Würde mein Mandant dem Kind Haare ausreißen oder es mit einer Nadel stechen, wäre dies eine strafbare Körperverletzung. Nur sind solche Verletzungen überflüssig, denn für den Vaterschaftstest braucht er nur Spucke oder ein vollgeschneuztes Taschentuch.

Die heimliche Entnahme dieses Materials wird sicherlich nicht als „Gen-Klau“ die Strafrichter beschäftigen, eher die Zivilgerichte, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes zu schützen haben. Wer aber schützt die Rechte des Mannes, der Klarheit über seine Vaterschaft haben will? Und wo bleibt das Recht der Mutter auf Ausübung der elterlichen Sorge bei heimlicher Weitergabe von Genmaterial des Kindes? Schließlich haben Eltern die elterliche Sorge „in eigener Verantwortung und im gegenseitigen Einvernehmen zum Wohle des Kindes auszuüben“. Können sie sich hierüber nicht einigen, überträgt das Familiengericht auf Antrag die Entscheidung auf nur einen Elternteil. Verweigert die Mutter die Zustimmung, könnte dann der Vater ihre Zustimmung durch den Familienrichter ersetzen lassen? Und wer vertritt das Kind in einem solchen Verfahren? Die Beantwortung der Fragen ist nicht so einfach, denn es geht zum einen um das Sorgerecht,  zum anderen aber auch um Grundrechte der Kinder.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1988 entschieden, daß jedes Kind ein Recht auf Kenntnis seines leiblichen Vaters, d. h. seiner Abstammung hat. Verweigerte die Mutter die Zustimmung zum Test, wäre dies eine Rechtsverletzung des Kindes?

In Deutschland gibt es kein Gesetz, in dem geregelt ist, daß ein Kind jederzeit Klage auf Feststellung seiner Abstammung erheben kann, ebensowenig hat ein Vater das Recht, jederzeit gerichtlich überprüfen zu lassen, ob das von seiner Ehefrau geborene Kind auch von ihm stammt. Paßt das zusammen?

Das bürgerliche Gesetz will vor den Unsicherheiten der Vaterschaft schützen und arbeitet mit Vermutungen. Wird ein Kind ehelich geboren, ist der Ehemann der gesetzliche Vater,  bis das Familiengericht durch Urteil festgestellt hat, daß dies nicht der Fall ist – und solange zahlt der Vater z. B. auch Kindesunterhalt. Mutter, Vater und Kind können die Vaterschaft binnen zwei Jahren gerichtlich anfechten, wobei Fristbeginn der Zeitpunkt ist, in dem der Berechtigte von den Tatsachen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen, wie z.B. der Mehrverkehr der Mutter während der Empfängniszeit. Dadurch soll verhindert werden, daß ein Mann „ins Blaue hinein“ eine Anfechtungsklage erhebt, um jederzeit überprüfen zu lassen, ob das Kind von ihm stammt.

Das Gutachten, heimlich in Auftrag gegeben, kann eine Anfechtungsklage nicht begründen, da nicht sicher ist, daß die Proben tatsächlich von diesem Vater und diesem Kind abstammen. Um nicht gegen das Datenschutzgesetz zu verstoßen, prüfen die privaten Anbieter die Identität von Testperson und Material gerade nicht.

Selbst wenn die Mutter dem privaten Test zustimmte, gilt nichts anderes, da die Identität der beteiligten Personen nicht feststeht. Denkbar wäre immerhin, daß Eltern gemeinsam ihr mißratenes Kind von der Erbfolge ausschließen wollen. Sie müßten nur das voll geschneuzte Taschentuch des Nachbarn abgeben.

Jetzt einmal angenommen, Eltern ließen einvernehmlich ein medizinisches Sachverständigengutachten erstellen nach den gerichtlich akzeptierten Richtlinien der Bundesärztekammer. Dieses Gutachten garantierte die Identität von Mutter, Vater und Kind. Wären Familienrichter, denen dieses „sichere“ Gutachten vorgelegt wird, verpflichtet, den Vaterschaftsprozeß einzuleiten?

Erinnert sei an die bereits erwähnte Frist von zwei Jahren, innerhalb derer die Vaterschaft anzufechten ist. Die Mutter kann nicht anfechten, wenn das Kind älter als zwei Jahre ist, denn sie kennt die Tatsache ihres Seitensprungs. Der Vater hatte bislang nur einen Verdacht, der zur Klage nicht ausreichte, jetzt hat er sichere Kenntnis, daß er nicht der Vater ist. Hat er zwei Jahre Zeit, die Vaterschaft anzufechten? Die Beantwortung der Frage ist offen, denn bislang konnte die Abstammung nur durch ein gerichtlich angeordnetes Gutachten geklärt werden. Anstehende Prozesse werden bald Klarheit schaffen.

Für den Minderjährigen kann nur sein gesetzlicher Vertreter anfechten. Dahinter steht der Gedanke, daß ein -aufmüpfiges- Kind durch einen eigenen Antrag den Familienfrieden stören könnte. Das gilt auch, wenn es schon sehr unfriedlich zugeht. Stellen Mutter oder Vater als gesetzliche Vertreter den Antrag, wird das Kind im Gerichtsverfahren wegen des Interessenwiderstreits von einem sog. Ergänzungspfleger und nicht von den Eltern vertreten. Das Gericht läßt die Klage nur zu, wenn es dem Wohl des Kindes dient.

Kann nun mein Mandant seine Frau auf Zustimmung zu einem Gutachten verklagen, das den gerichtlichen Standarts genügt? Eine solche „Zustimmungsklage“ sieht das Gesetz nicht vor, zu fordern wäre auch hier eine Kindeswohlprüfung durch das Gericht.

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob es Eltern als Inhaber der elterlichen Sorge erlaubt sein soll, ohne gerichtliche Kindeswohlprüfung heimlich einen Gentest zu machen? Was ist z. B., wenn das – schon ältere – Kind sich weigert?

Ist hier nicht der Gesetzgeber aufgefordert, über den besseren Schutz von Kindern nachzudenken?

Möglich wäre es, die Richtlinien der Bundesärztekammer dahingehend zu ändern, daß die Abstammung eines Minderjährigen nur untersucht werden darf, wenn die Zustimmung des Kindes in Form eines gerichtlichen Beschlusses vorgelegt wird. In einem vorgeschalteten Gerichtsverfahren wäre das Kind durch einen Ergänzungspfleger vertreten, das Gericht hätte – ab dem 7. Lebensjahr? – das Kind anzuhören und eine Kindeswohlprüfung vorzunehmen. Ohne diese gerichtliche Zustimmung wäre das Gutachten nicht gerichtsverwertbar.

Da derzeit für die Abstammungs-begutachtung die Zustimmung der Sorgeberechtigten ausreicht, sollte das Ergebnis des Gutachtens bei einer Behörde gemeldet werden. Nach Volljährigkeit hätte das Kind ein Akteneinsichtsrecht mit der Möglichkeit, innerhalb der alsdann laufenden Zwei-Jahres-Frist die Vaterschaft anzufechten – wenn das genetische Verwandtschaftsverhältnis zum „Vater“ nicht besteht. Ein Mann, der mit der Last des heimlichen Wissens, nicht der leibliche Vater zu sein, dennoch ein guter Vater geblieben ist, soll dann nach Entscheidung des Kindes sein Vater bleiben oder als solcher ausscheiden. Eine solche „Genkartei“ könnte bei den Jugendämtern oder Vormundschaftsgerichten geführt werden.

Und noch eine letzte Überlegung: Sollte der Gesetzgeber für diesen Fall nicht eine „Doppelvaterschaft“ (doppelt hält besser?) ermöglichen, die die völlige Rechtlosigkeit des leiblichen Vaters beseitigte?

Wir sehen, die Wissenschaft verschafft uns genetische Klarheit und Wahrheit, produziert aber ein juristisches und menschliches Wirwarr.

Margarete Fabricius-Brand

Margarete Fabricius-Brand

Als Fachanwältin für Familienrecht mit langjähriger Praxiserfahrung und Diplom-Psychologin verfüge ich über Spezialkenntnisse, die mich befähigen, Ihre familienrechtlichen Probleme zu lösen.