Krankenversicherung bei Trennung und Scheidung

In der Praxis besteht oftmals Unkenntnis, welcher Krankenversicherungsschutz bei Trennung und nach Scheidung besteht. Ich gebe hierzu den nachfolgenden Überblick:

1.1 Gesetzliche Krankenversicherung

Die gesetzliche Krankenversicherung gehört wie die gesetzliche Pflegeversicherung zu den fünf großen Säulen der gesetzlichen Sozialversicherung. Die GKV funktioniert nach dem Solidarprinzip: Die Beiträge richten sich nach der finanziellen Leistungsfähigkeit der Mitglieder, die Gesundheitsleistungen sind für alle gleich.

1.2 Versicherungspflicht

Nach § 193 Abs. 3 VVG ist jede Person mit Wohnsitz im Inland verpflichtet, eine Krankenversicherung vorzuhalten. Der GKV können Pflichtversicherte, freiwillig versicherte Mitglieder oder Familienversicherte angehören.

1.3 Beitragshöhe und Zutritt zur GKV

Im Unterschied zur freiwilligen Versicherung berechnen sich die beitragspflichtigen Einnahmen auf die Versorgungsbezüge (§ 299 SGB V) und ein ggf. noch bezogenes Arbeitseinkommen, während bei freiwillig Versicherten im Grundsatz alle Einnahmen zur Bemessung der Beiträge herangezogen werden (§ 240 SGB V).

Die private Krankenversicherung kennt eine Familienversicherung nicht. Die Beitragshöhe in der privaten Krankenversicherung ist nicht abhängig vom Einkommen.

§ 6 Abs. 3a SGB V spielt bei Trennung und Scheidung eine Rolle. Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig werden, ist der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung versperrt, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich versichert waren und mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder als hauptberuflich Selbstständige nicht versicherungspflichtig waren. Einem zuvor privat versicherten Angehörigen von Beamten wird somit nicht der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung geöffnet.

Hinweis: Bei Ehegatten von Beamten ist die Altersgrenze zu beachten. Durch den Anwalt ist ein Hinweis auf eine versicherungspflichtige Tätigkeit vorzunehmen, um rechtzeitig die Voraussetzungen für eine freiwillige Weiterversicherung in der GKV zu erreichen. Fehlen jedoch die eigenen Vorversicherungszeiten nach Vollendung des 55. Lebensjahres, ist die Mitgliedschaft in der GKV auch bei Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgeschlossen (Beschluss Hessisches LSG vom 17.12.2009, L 1 KR 290/09B ER).

1.4 Geltendmachung des Krankenvorsorgeunterhalt als sog. Mehrbedarf

Ist eine Aufnahme nicht möglich, ist der sogenannte Krankenvorsorgeunterhalt für die private Krankenversicherung geltend zu machen.

In der Praxis zeigt sich, dass insbesondere die alleinerziehenden Mütter oftmals keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen sind. Der sogenannte Vorsorgebedarf stellt einen trennungs- bzw. scheidungsbedingten sogenannten Mehrbedarf dar. Die geschiedene Ehefrau kann beispielsweise nach der Scheidung als freiwillig Versicherte nach §§ 1, 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bleiben, sie muss aber einen eigenen (Mindest-)Beitrag leisten. Dieser errechnet sich aus ihrem Einkommen nebst Unterhaltszahlungen.

Zwar erhält die geschiedene Ehefrau im Rahmen des Versorgungsausgleiches in der Regel einen Wertausgleich an den erworbenen Rentenanwartschaften ihres geschiedenen Ehemanns. Der Vorsorgebedarf wird oftmals in der Praxis nicht durchgesetzt, da in der Regel die Unterhaltsberechtigten an einem Elementarunterhalt interessiert sind.

Der Mindestbedarf im Jahre 2023 beträgt bei der Techniker Krankenkasse derzeit 206,53 Euro. Es sind also nicht nur nicht unerhebliche Kosten, die monatlich anfallen. Im Hinblick auf das geltende Existenzminimum nach dem Regelbedarf 2023 mit monatlich 909,00 Euro, der aus einem Regelsatz in Höhe von 502,00 Euro für einen Alleinstehenden und Unterkunftskosten von 407,00 Euro berücksichtigt, sind die Kosten der Krankenversicherung nicht unerheblich.

Die Kosten der gesetzlichen Versicherungspflicht (Mindestbetrag 206,53 Euro) sind in dem Mindestunterhalt/dem Existenzminimum nicht enthalten. Die Beitragspflicht in der monatlichen Krankenkasse ist daher bei der Bemessung des Unterhalts zu berücksichtigen (vgl. Leitlinien des OLG Frankfurt, NJW 6/2023, S. 44, 48 Nr. 15.4), abzurufen unter www.hefam.de).

Die Mandantin ist darauf hinzuweisen, dass sie entweder diesen Vorsorgeunterhalt als trennungsbedingten Mehrbedarf geltend machen muss oder aber, sollte der Ehemann durch das Bestehen weiterer Unterhaltsverpflichtungen nicht leistungsfähig sein, eine Nebenbeschäftigung über der Geringfügigkeitsgrenze aufnehmen sollte, die derzeit monatlich 520,00 Euro beträgt.

Denn durch die Zahlung des Vorsorgeunterhalts nach § 1578 Abs. 1, Abs. 3 BGB erhöht sich das beitragspflichtige Einkommen in der Kranken- und Pflegeversicherung nach den §§ 223, 240 Abs. 1 Satz 1, II Abs. 1 SGB i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BeitrVerfGrds. Selbstz.

Zwar kann durch die Zahlung einer Abfindung von nachehelichem Unterhalt einschl. des Altersvorsorgeunterhaltes erhöhte Zahlungen auf die Krankenversicherung vermieden werden. Sinnvoll erscheint dies nur im Bereich des Bestehens einer privaten Krankenversicherung. Die Zahlung einer Unterhaltsabfindung wird nach § 240 Abs. 1 SGB V i. V. m. den Beitragsverfahrensgrundsätzen wie eine Abfindung eines Versorgungsanrechts behandelt, die auf mehrere Jahre erstreckt wird. Folge ist, dass sie mit 1/120 des Zahlbetrags monatlich zur Bestimmung der Beitragspflicht herangezogen wird (LSG Niedersachsen-Bremen, FamRZ 2015, 1841).

Möglich wäre, dem nachehelichen Unterhalt durch eine Vermögensübertragung so abzusichern, dass der Berechtigte finanziell ausgestattet und nicht sozialhilfebedürftig wird. Zu berücksichtigen ist in diesem Falle, sollte die Abfindung durch Übertragung von Mieteigentum erfolgen, erzielte Mieteinnahmen beitragserhöhend und, anders als die Zahlung von Ehegattenunterhalt, steuerpflichtig sind.

1.5 Inanspruchnahme begrenztes Realsplittung und Krankenversicherungsbeitrag

Bei der Inanspruchnahme des begrenzten Realsplittings entstehen beim Empfänger steuerpflichtige Einnahmen. Diese gefährden in der Trennungszeit den Bestand der Familienversicherung, falls die Gesamteinkommensgrenze des § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V überschritten wird, die Familienversicherung von Gesetzes wegen endet und der bisher Familienversicherte zum freiwilligen Versicherten mit einer Beitragspflicht wird.

Daher ist bei der Geltendmachung des steuerlichen Realsplittings vom Unterhaltspflichtigen eine bindende Erklärung zu verlangen, in der dieser sich nicht nur zur Freistellung von steuerlichen Nachteilen sowie sämtlichen Nachteilen, die aus der Inanspruchnahme des steuerlichen Realsplittings resultieren, verpflichtet. Hierzu gehören die durch das begrenzte Realsplitting entstehende Krankenversicherungskosten und die Beitragspflicht bei Geringverdienern.

1.6 Zuschuss § 26 SGB II

Ist der Unterhaltspflichtige nicht in der Lage, die Versicherungsbeiträge zu zahlen, kann der Berechtigte einen Zuschuss nach § 26 SGB II zu den Versicherungsbeiträgen beantragen. Es muss Bedürftigkeit und Leistungsbezug nach dem SGB II bestehen.

Praxishinweis:

Der Krankenvorsorgeunterhalt ist zusammen mit dem Elementarunterhalt geltend zu machen, eine gesonderte Durchsetzung ist nicht möglich, da es sich um einen unselbstständigen Bestandteil des Elementarunterhalts handelt. Als Mindestbeitrag ist daher bei freiwilliger Mitgliedschaft in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ein Betrag in Höhe von 206,53 Euro, und ebenfalls für freiwillige Beiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung als sogenannter Altersvorsorgeunterhalt der Mindestbetrag in Höhe von 96,72 Euro zu beantragen.

Jutta Wilkening

Jutta Wilkening

Dank meiner Doppelqualifikation im Familien- und Sozialrecht berate ich Sie umfassend bei Ihren Problemen aus diesen beiden Rechtsgebieten.