Kinderehe und Kindeswohl – wie passt das zusammen?

Verheiratete Minderjährige, die nach Deutschland flüchten, beschäftigen nicht nur Behörden und Hilfsorganisationen sondern zunehmend auf die Familiengerichte.

Zum Sachverhalt: Ein 14-jähriges Mädchen heiratete in Syrien einen volljährigen Mann. Beide haben die syrische Staatsangehörigkeit. Sie flüchteten 2015 gemeinsam nach Augsburg. Hier nahm das Jugendamt die 14-jährige in Obhut. Sie durfte ihren Mann drei Monate nicht sehen, danach wurde ihr ein begleiteter Umgang gestattet. Der Ehemann wehrte sich gegen die Inobhutnahme.

Das Amtsgericht Augsburg wies seinen Antrag ab mit der Begründung, das Mädchen habe einen Vormund, nur dieser habe das Recht, Aufenthalt und Umgang zu regeln.

Nach deutschem Recht (§§ 1800, 1631 BGB) darf ein Vormund zwar den Umgang, nicht aber den Aufenthalt eines verheirateten Mündels regeln. Also entschied das Oberlandesgericht Bamberg, dass die Minderjährige wieder bei ihrem Mann wohnen dürfe.

Weiterhin entschied das Oberlandesgericht, dass für die Wirksamkeit der vorliegenden Eheschließung syrisches Recht anzuwenden sei. Danach ist Voraussetzung für die Wirksamkeit der Ehe, dass die Frau 16 Jahre alt ist. Man spricht von Ehemündigkeit, die bei der Ehefrau nicht vorlag. Da die Ehe aber bereits – unstreitig – vollzogen wurde, ist nach syrischem Recht die Ehe wirksam und nicht nichtig.

Sind „Kinderehen“ nichtig, anfechtbar oder sogar strafbar?

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter dem Schlagwort „Kinderehe“ hohe Wellen geschlagen. Das überrascht nicht, weil Kinderehe und Zwangsehe oft gleichgesetzt werden.

Vorab ist festzuhalten, dass es nach deutschem Recht keine nichtigen Ehen gibt. Eine Ehe kann nur aufgehoben werden. Ist zum Beispiel ein Ehegatte eheunmündig, kann die Ehe aufgehoben werden. Anwendung finden dann die Vorschriften der Ehescheidung.

Nach deutschem Recht ist eine Frau erst mit 18 Jahren ehemündig. Das Ehemündigkeitsalter kann auf 16 Jahre herabgesetzt werden. Dies geschieht durch richterlichen Dispens. Fehlt er, kann die Ehe aufgehoben werden, nichtig ist sie jedoch nicht.

Ist die minderjährige verheiratete Person unter 16 Jahren, bleibt es bei der Anfechtbarkeit. Wird eine Ehe mit einer Minderjährigen unter 14 Jahren geschlossen, ist dies strafbar, wenn es zu sexuellen Handlungen der Eheleute gekommen ist.

Hiervon zu unterscheiden ist die Zwangsheirat, die nach der Vorschrift des § 237 StGB strafbar ist. Von einer Zwangsheirat spricht man dann, wenn einer der Ehepartner mit der Eheschließung nicht einverstanden ist, die Ehe also nur aufgrund von psychischen oder physischen Drucks geschlossen wird.

Sind Kinderehen Kindesmissbrauch und verstoßen gegen den ordre public?

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg liegt jetzt dem Bundesgerichtshof zur Überprüfung vor. Es soll prüfen, ob ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung – ordre public – vorliegt. Gemeint ist damit Folgendes: Die Rechtsnormen eines anderen Staates dürfen dann nicht angewandt werden, wenn dies mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts „offensichtlich unvereinbar“ ist. Dies wird in der Regel dann bejaht, wenn ausländische Gesetze gegen unsere Grundrechte verstoßen.

Das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechtes muss mit den Gerechtigkeitsvorstellungen nach deutschem Recht in so starkem Widerspruch stehen, dass das Ergebnis nicht tragbar ist. Der Bundesgerichtshof muss also entscheiden, ob der Minderjährigenschutz zu den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts gehört. Wenn ja, würde dies einen sofortigen Anfechtungsgrund bieten. Vieles spricht dafür, da der Mindjährigenschutz grundgesetzlich abgesichert ist durch Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 6 Abs. 2 GG.

Kinder gehören in die Schule, nicht ins Ehebett – so der kernige Satz von der CDU – Bundestagsabgeordneten Christina Schwarzer. Von ihr sowie weiteren christlich demokratischen Abgeordneten hörte man bislang keine Kritik gegen das katholische Kirchenrecht. Danach darf eine 14-jährige das Eheversprechen abgeben!

Minderjährige Ehefrauen sollen natürlich in die Schule gehen – nur was bedeutet es, wenn die Ehen der minderjährigen Flüchtlinge unter 16 Jahren nach deutschem Recht angefochten werden? Was geschieht z. B. mit den Kindern, die in diese Ehe geboren und nachträglich für nicht ehelich erklärt werden? Was ist mit den ehelichen Unterhaltsansprüchen und sonstigen Rechten zwischen Ehepartnern? Sie entfallen. Was ist, wenn die Minderjährige als geschiedene Frau in ihre Heimat zurückkehrt?

Deutsche und islamische Rechtsordnung treffen aufeinander – wir stehen erst am Beginn einer Debatte über die kulturellen und gesetzlichen Widersprüche.

Zur Erinnerung: Romeo und Julia durften nicht heiraten, weil ihre Familien verfeindet waren. Ihr junges Alter – wohl 13 und 15 Jahre – spielte bei dem Verbot keine Rolle.

Margarete Fabricius-Brand

Margarete Fabricius-Brand

Als Fachanwältin für Familienrecht mit langjähriger Praxiserfahrung und Diplom-Psychologin verfüge ich über Spezialkenntnisse, die mich befähigen, Ihre familienrechtlichen Probleme zu lösen.