Familienrecht und Liebe

Als junge Anwältin war ich Gast auf einer Hochzeitsfeier. Dem Brautpaar schenkte ich einen Gutschein für eine kostenlose Rechtsberatung bei Trennung und Scheidung.

Die Braut bemerkte, sie lasse sich den schönsten Tag ihres Lebens nicht verderben, der Bräutigam meinte, unnütze Geschenke würden entsorgt und einige Gäste regten sich über die Geschmacklosigkeit auf. Zu fortgeschrittener Stunde sagte mir die Brautmutter, sie habe sich gleich nach der Verlobung ihrer Tochter erkundigt, wer der beste Scheidungsanwalt sei (Ich sei nicht genannt worden).

Warum löste der Gutschein Unmut und bei einigen auch Empörung aus? Das hat – auch – etwas mit den heutigen Vorstellungen über Ehe, Liebe und Recht zu tun.

Früher wurden Ehen in Königshäusern, Fürsten- und Adelsfamilien geschlossen, um politische Macht und Einfluss zu festigen oder zu vergrößern. Auf dem Lande wurden Ehen arrangiert, um die Fortführung des Hofes über die Generationen hinweg zu sichern. Seit der Romantik im 19. Jahrhundert wird zumindest in bürgerlichen Kreisen aus Liebe und nicht aus wirtschaftlichen Gründen geheiratet. Deswegen kann man jedenfalls „öffentlich“ nicht zugeben, dass bei der Partnersuche Vermögen, Status und Herkunft -immer noch- eine Rolle spielen. Indiz hierfür ist, dass laut Statistik die Ehepartner überwiegend aus ihrer Schicht die Partnerin bzw. Partner wählen.

Gesellschaftlich betrachtet ist Heirat also Liebes-Heirat und Ehe Liebes-Ehe. Im Familienrecht sind Regeln für die Eheschließung und Scheidung festgelegt. Um die Liebe kümmert sich das Familienrecht nicht!

So werden die Liebenden bei der Hochzeit nicht gefragt, ob sie aus Liebe heiraten. Motive, Zwecke und Ursachen bleiben dem Recht also verborgen.  Auch bei Scheidung wird die Zerrüttung der Ehe festgestellt aber nicht im Sinne von Wegfall der Liebe.

Das Recht beschränkt sich darauf zu prüfen, ob die Erklärungen zur Eheschließung wirksam abgegeben und bei Scheidung, ob die Trennungsfristen sowie einige wenige weitere Voraussetzungen eingehalten wurden.

Liebende können „unbehelligt vom Recht“ in ihrer exklusiven Beziehung leben. Das Gesetz schreibt zwar vor, dass die Eheleute „einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet“ sind (§ 1353 Bürgerliches Gesetzbuch), hieraus folgt aber nicht – so die heutige Auslegung der Vorschrift – dass es ein Recht auf Liebe gibt oder ein gesetzliches Verbot, den anderen lieblos zu behandeln.

Anders wurde dies noch vom Reichsgericht gesehen, das im Jahr 1915 urteilte:

„Durch die Ehe wird für die Ehegatten die sittliche Pflicht begründet, ihr Verhalten gegeneinander so einzurichten, dass es mit der Liebe, Treue und Achtung, die sie sich gegenseitig schulden, im Einklange steht.“

Das seit dem Jahr 1900 bestehende Gesetz legen die Juristen heute anders aus, weil sich die Vorstellungen über Sitte, Moral und eheliche Pflichten geändert haben.

Nicht geändert hat sich, dass Liebe, Treue und Achtung in einer Ehe abhanden kommen können und die Liebenden voneinander enttäuscht sind. Die Abwicklung enttäuschter Erwartungen, so genannte Trennungs- und Scheidungsfolgen, regelt das Familienrecht, das Rechtsgebiet, das der Liebe am nächsten ist.

Jetzt geht es darum zu klären, was ein Ehepartner verlangen kann. Verlangt werden kann nur das, wozu der andere gesetzlich verpflichtet ist. Liebe gehört nicht dazu. Dabei treibt gerade das Scheitern der Liebe die Beteiligten zur Verzweiflung:

  • Die ehemals Liebenden, weil sie den Verlust der Liebe nicht ertragen und für den Schmerz – wenigstens – entschädigt werden wollen;
  • die Rechtsanwältin, weil sie nur Rechtsansprüche durchzusetzen und die verlorene Liebe nicht beschaffen kann;
  • den Richter, weil er weder den gesetzlichen Auftrag noch die Zeit hat, Gerechtigkeit in einer gescheiterten Liebesbeziehung herzustellen.

Was aber leistet das Familienrecht? Das Gesetz sagt, die Ehegatten „tragen füreinander Verantwortung.“ (§ 1353 BGB)

Hierzu bekennen sich die Eheleute öffentlich, wenn sie sich beim Standesamt das Ja-Wort geben. Dies gibt den Liebenden Sicherheit, denn das Ja-Wort kann nicht so einfach zurückgenommen werden, wenn sich die Gefühle ändern. Dann greifen familienrechtliche Gesetze, die regeln, wer wem was und wie lange schuldet. Die Liebe wird nicht wiederhergestellt, ihr Verlust aber nicht selten abgemildert. Deswegen leistet das Familienrecht doch einiges für die Liebe.

Bei Beginn der Liebe rechnen die wenigsten mit ihrem Scheitern. So steht es auch immer noch im Gesetz:

„Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen.“ (§ 1353 BGB)

Dessen ungeachtet wird jede dritte Ehe geschieden. Und es ist eigentlich auch allen bekannt, dass Liebende sich im Laufe der Zeit ändern und einander nicht mehr genügen. Dennoch ignoriert Liebe die Zeit, sie soll ewig dauern. Das Familienrecht bedenkt, was Liebende nicht denken können – ihr Scheitern und trifft hierfür Vorkehrungen. Diese sind besser als ihr Ruf.

Vor kurzem luden mich die „Brautleute“ zur Hochzeit ihrer Tochter ein. Auf der Einladungskarte war vermerkt: „Bitte keinen Beratungsgutschein für die Scheidung schenken“.

Margarete Fabricius-Brand

Margarete Fabricius-Brand

Als Fachanwältin für Familienrecht mit langjähriger Praxiserfahrung und Diplom-Psychologin verfüge ich über Spezialkenntnisse, die mich befähigen, Ihre familienrechtlichen Probleme zu lösen.