Gerechtigkeit und Fairness im familiengerichtlichen Verfahren – Versuch einer Bestandsaufnahme

Willkommen im Club? Schon Platon und Aristoteles stritten trefflich über die Gerechtigkeit – wird diese Diskussion nach über 2000 Jahren nun auch für das Familiengerichtsverfahren geführt oder – eher – gefordert? Seit Menschengedenken wurden Gerechtigkeitstheorien aufgestellt, und auch wenn viele wieder vergessen sind, herrscht heute große Vielfalt. Sie erscheint einerseits verwirrend, läßt aber doch den Schluß zu, daß es um die Gerechtigkeit nicht schlecht bestellt sein kann, wenn und solange Menschen sich mit diesem Thema befassen.

Die Wiege der Gerechtigkeit

Zurück zu Platon und Aristoteles. Auf dem Höhepunkt der Demokratie in Athen fragten sie, was Gerechtigkeit sei? Ihre Antwort, die noch heute als gültig erachtet wird: Gerechtigkeit ist Gleichheit. Für die tatsächlich doch so große Ungleichheit wie zwischen Armen und Reichen fanden sie eine perfekte Erklärung durch die Unterscheidung von austeilender und ausgleichender Gerechtigkeit. Die austeilende Gerechtigkeit regelt die Verteilung von Gütern und öffentlichen Ämtern in der Polis; die ausgleichende sorgt für proportionale Gleichheit [1] unter Bürgern, d. h. Menschen, die nicht Sklaven sind. Die Sklaverei begründet sich aus der Natur des Menschen, unter denen es immer Starke und Schwache gibt, die sich zum Herrschen oder Beherrschtwerden eignen.

„Schon mit der Geburt zeigt sich, wohin die Reise geht. Deshalb herrschen auch die Männer über die Frauen. Natürliche Ungleichheit“ [2].

Für die Einhaltung der Gesetze und der Gerechtigkeit sorgten mit vielen hundert Männern besetzte Gerichte, die schworen, streng legalistisch, ihre Stimme nach den Gesetzen des Volkes von Athen abzugeben. Die Einheit von Recht und Moral war weitgehend erhalten – ein Wort für Recht gab es nicht [3], dementsprechend auch noch keine Trennung zwischen Rechts- und Moralphilosophie, sieht man von dem Problem mit den Frauen und Sklaven ab.

Von Platon bis heute wurden unzählige Gerechtigkeitstheorien aufgestellt. Viele beklagen die Unordnung der gegenwärtigen Gerechtigkeitsdebatte, schreckt sie doch Menschen ab, sich mit „dem wichtigen Thema Gerechtigkeit zu beschäftigen, weil sie weder wissen, was gerecht ist, noch, wie sie dies erfahren können“ [4].

Kabinettsjustiz und Königs Gerechtigkeit – der Fall des Müllers Arnold

Der Müller Arnold war 1779 Erbpächter einer Wassermühle [5]. Seine Arbeit wurde behindert, weil am Oberlauf des Baches Karpfenteiche angelegt worden waren; seine Einnahmen gingen zurück, und der Grundherr ließ die Erbpacht versteigern. Erwerber war – über einen Strohmann – just der Grundbesitzer, der die Teiche angelegt hatte. Den Schadensersatzprozeß gegen diesen Grundherrn verlor der Müller in allen Instanzen. Friedrich der Große verhaftete die beteiligten Richter und verlangte vom Kammergericht, sie wegen Rechtsbeugung zu bestrafen. Das Kammergericht weigerte sich, woraufhin der König das Verfahren an sich zog und die Richter zu einem Jahr Festungshaft und Zahlung von Schadensersatz verurteilte. Der Müller erhielt seine Mühle zurück.

Zu Recht wird die Standhaftigkeit des Kammergerichts als beispielhafte Abwehr von Kabinettsjustiz gefeiert [6]. Und dennoch, der König hatte das richtige Gefühl, der arme Müller konnte sich gegen die Mächtigen nicht durchsetzen, und nach heutigen Erkenntnissen wurden die Richter zurecht verurteilt [7].

Dieser historische Fall wirft Fragen auf, die uns noch heute beschäftigen: Ist Gerechtigkeit als Rechtsbegriff zu verstehen oder eine Kategorie persönlicher Moral? [8] Führt bereits korrekte Gesetzesprüfung zu einer gerechten Entscheidung, oder bedarf es des Bezugs auf einen externen Maßstab? [9] Wenn Gesetzgebung als Versuch anzusehen ist, der Gerechtigkeit durch Regelbildung näher zu kommen, wie muß dann eine demokratische Kontrolle der Justiz beschaffen sein?

Vielfalt der Gerechtigkeitstheorien

Die heutige Diskussion über Gerechtigkeit wurde initiiert durch das Hauptwerk von John Rawls, „Eine Theorie der Gerechtigkeit“ [10] und wesentlich bestimmt durch die Gedanken der Diskursethik von J. Habermas [11]. Die Theorie Rawls‘ hat häufig wie heftig Zustimmung wie Ablehnung erfahren [12]. Rawls entwickelte Prinzipien, nach denen sich das Verhältnis zwischen maximalen Freiheitsrechten und ökonomischer Gleichheit bestimmen sollte [13]. Unter den fiktiven Bedingungen eines Urzustandes würden sich die Menschen in Unkenntnis über ihre Begabungen und zukünftigen Positionen darüber beraten, auf welche Organisationsform von Gesellschaft sie sich vertraglich einigen sollten. Dabei war seine Leitidee, daß unter den modernen Bedingungen eines Wertepluralismus nur das allgemeine Prinzip gleicher Rechte, Freiheiten und Chancen als normativer Maßstab dienen könne, an dem sich die Gerechtigkeit eines Gemeinwesens bemessen dürfe. Gegen diese „Liberalen“ wandten die sog. Kommunitaristen [14] ein, es bedürfe immer der Rückbesinnung auf einen Fundus gemeinschaftlich geteilter Werte, wenn über Fragen der gerechten Ordnung einer Gesellschaft entschieden werde [15]. Dabei waren nicht so sehr die Erwägungen, mit denen Rawls sein Modell eines fairen Vertragsschlusses rechtfertigte für die heftige Kontroverse verantwortlich, sondern seine Prämisse von eigenschaftslosen und isolierten Menschen, unabhängig von gemeinsamen Wertüberzeugungen und frei von wechselseitigen Bindungen [16].

Gemeinsam ist diesen als normativ bezeichneten Gerechtigkeitstheorien, daß sie von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehen und in der Folge unvereinbare Gerechtigkeitsgrundsätze [17] aufstellen. Diese Konzeptionen waren in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts von der wissenschaftlichen Diskussion fast ausgeschlossen [18].

Anders die sog. empirischen Gerechtigkeitstheorien, an denen derzeit wenig Interesse besteht. Sie erforschen, welche Gerechtigkeitsvorstellungen in der Gesellschaft bestehen bzw. einem Gesetz zugrunde liegen und erklären sie aus soziologischer, psychologischer oder historischer Sicht.

Hervorzuheben ist der Beitrag von U. Neumann [19] sowie der Tagungsbericht der Fachgruppe Rechtspsychologie aus dem Jahre 1993 zu dem fächerübergreifenden Thema „Gerechtigkeit und Fairness; in Verfahren“ [20], der Anstoß für die Redaktion war, ein „vergessenes Thema“ wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Mit diesen Beiträgen wurden zwei „gerichtsrelevante“ Dimensionen der Gerechtigkeit unterscheidbar: das materiell richtige, gerechte Urteil und das formell richtige, faire Verfahren.

«Verfahrensgerechtigkeit» – ein Beleg empirischer Gerechtigkeitsforschung?

Im Sammelband von Bierbrauer u. a. werden im ersten Teil „Forschung zur Verfahrensgerechtigkeit“ [21] die theoretischen Konzepte, im zweiten Teil „Fairneß und Verfahrensgerechtigkeit in der Justizpraxis“ [22] die Ergebnisse aus der rechtspsychologischen Verfahrensforschung vorgestellt. Im einzelnen:

Lind [23] untersucht die Abhängigkeit zwischen der Fairneß eines Gerichtsverfahrens und dem Befolgen von Urteilen. Er berichtet von der als klassisch bezeichneten Untersuchung aus dem Jahre 1971, mit der erstmals der empirische Nachweis dafür gelang, „daß die Fairneß eines Verfahrens nicht nach dessen Ausgang, sondern eher nach Unterschieden in der wahrgenommenen Einfluß auf den Prozeß (gleich „voice“ für den amerikanischen Begriff) beurteilt wird“ [24].

Verfahren mit hohem eigenen Einfluß erlebten die Beteiligten als fairer, da diese die Möglichkeit eröffne, eigene Werthaltungen zur Sprache zu bringen und dadurch das Gerichtsurteil zu beeinflussen. Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde eine neue Theorie der Verfahrensgerechtigkeit unter Einbeziehung psychologischer Kategorien entwickelt. Ein Verfahren werde dann als gerecht empfunden, wenn die Betroffenen das Gefühl haben, das Gericht sei „vertrauenswürdig und wohlwollend (Vertrauen), unparteiisch und nicht diskriminierend (Neutralität) und betrachte sie als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft (Ansehen). Menschen bildeten ihre erste Bewertung von Gerechtigkeit auf der Basis des Verfahrens und bauten erst später den Inhalt des Gerichtsurteils in ihren allgemeinen Eindruck von der Fairness ein. Die Einschätzung der Beteiligten von Gerechtigkeit werde in erster Linie von der Verfahrensgestaltung, weniger von dem Ergebnis geprägt [25].

Richli [26] kritisiert, daß wegen des Wertepluralismus, den Fragen nach materialer Gerechtigkeit ausgewichen und statt dessen nur die Frage nach Verfahrensgerechtigkeit gestellt werde. Er tritt der These, gerechte Verfahren verbürgten in bester Weise auch inhaltlich gerechte Ergebnisse, entgegen und fordert die Rechtswissenschaft auf, Hinweise zu Einsatzmöglichkeiten und Grenzen von empirischen Ansätzen zu Verfahrensgerechtigkeit und materialer Gerechtigkeit zu liefern [27]. Die sog. Equity-Theorie [28] als Teil der Sozialpsychologie könne neue Gesichtspunkte für die Schaffung von wenigstens gerechterem Recht liefern und über das hinsausführen, was die Diskussion über das Rechtsgefühl zu leisten vermochte [29].

Hof [30] legt dar, daß der Forschungsansatz des Projekts „Recht und Verhalten“ eine Wechselbeziehung beider Begriffe unterstelle. Diese verdeutlicht er am Beispiel der Verfahrensgerechtigkeit, beschränkt auf Gerichtsverfahren. Da sich die Frage nach materieller Gerechtigkeit im Prozeßalltag „all zu leicht als unerreichbares Ideal“ [31] verflüchtige, stellt er die folgenden – einzulösenden – Kriterien an Verfahrensgerechtigkeit auf:

  • Achtung jedes Prozeßbeteiligten in seiner Eigenart
  • Rücksichtnahme auf seine berechtigten, also vom Recht anerkannten Interessen
  • Unparteilichkeit der Entscheidungsinstanzen
  • Anwendung gleichbleibender Kriterien
  • Gewährung von rechtlichem Gehör mit der Chance, die eigenen Argumente zur Geltung zu bringen und so eine günstige Entscheidung zu erwirken
  • faire Behandlung im Verfahrensablauf und
  • grundsätzliche Möglichkeiten der Fehlerkorrektur [32].

Diese wichtigsten Merkmale berücksichtigten die Interaktionen der Beteiligten in den einzelnen Verfahrensschritten und böten vielfältige Ansatzpunkte für eine weiterführenden Forschung.

Gottwald [33] rügt aus der Sicht des Zivilrichters, daß die Rechtspsychologie sich selten die Mühe mache, ihre Forschungsmethoden und -ergebnisse der Rechtspraxis verständlich darzubieten – und die Rechtspraxis sei wenig neugierig, vielleicht auch zu selbstsicher, um sich auf andere Wissensgebiete einzulassen. Zum Verhältnis von Psychologie und Recht führt er an, die Justizpraxis benutze die Psychologie als Hilfswissenschaft, etwa bei Gutachten zum elterlichen Sorgerecht, oder das Recht werde zum Untersuchungsobjekt der Psychologen. Schließlich könne Psychologie noch helfen, Annahmen und Alltagstheorien, von denen sich die Justizpraxis leiten lasse, zu überprüfen. Hier sei eine Lücke zwischen juristischer Fiktion und psychologischem Wissen zu schließen. Psychologie und Recht sei hier einander „ebenbürtig“ [34].

Gottwald wiederholt das für Juristen verblüffende Ergebnis:

„Die Parteien empfinden ein Verfahren dann als fair und sind mit seinem Ergebnis zufrieden, wenn bestimmte, für sie wichtige Verfahrensstandards eingehalten werden und der Ausgang des Verfahrens in etwa dem entspricht, was sie in ihrer subjektiven Vorstellung erwartet haben. Mit anderen Worten: Auch Verlierer können mit dem Verfahrensergebnis zufrieden sein, wenn sie das Verfahren selbst als fair empfinden.“ [35]

Er stellt die Frage, ob diese Forschungsergebnisse aus dem amerikanischen Zivilprozeß auf den deutschen Zivilprozeß übertragbar seien und möchte wissen, nach welchen Standards Parteien die Verfahrensfairness beurteilen.

Er räumt ein, daß respektvolle Behandlung durch Richter, Information über den Verfahrensablauf und Möglichkeit, zu Wort zu kommen, in der Wirklichkeit des deutschen Gerichtsalltags wenig Beachtung finden. Gerichte fühlten sich überlastet und ließen mehr die Anwälte als die Parteien zu Wort kommen [36]. Gottwald geht davon aus, daß die Verfahrensforschung auch aus der Sicht des Praktikers ein außerordentlich fruchtbares Feld sei, vorausgesetzt, die Rechtspsychologie schaffe es, ihre Forschung der Praxis auch verständlich zu machen. Außerdem sollten die in der Rechtspraxis wirklich auftauchenden Fragen das Forschungsinteresse der Psychologen finden und nicht nur spektakuläre Ereignisse. Das normale, immer wiederkehrende Verfahrensgeschehen bedürfe der Untersuchung. Hierzu sei es notwendig, daß Psychologen und Praktiker die relevanten Fragen gemeinsam definierten, damit die für die Praxis tatsächlich bedeutsamen Fragen auch behandelt werden [37].

Rennig [38] gibt zu bedenken, daß für das deutsche Zivilverfahren bislang noch keine Untersuchungen zur Verfahrensgerechtigkeit vorlägen. Deswegen könnten auch ausländische Untersuchungen nicht ungeprüft auf unseren Zivilprozeß übertragen werden. Man müsse zunächst Hypothesen zur wahrgenommenen Verfahrensgerechtigkeit im deutschen Zivilprozeß entwickeln [39]. Für die Frage, ob ein Beteiligter das Gerichtsverfahren als gerecht empfinde, sei wohl maßgeblich, wie gründlich der Richter den Fall bearbeitet [40]. Wenn es weiterhin ein wichtige Rolle spiele, daß Richter den Standpunkt der Parteien sorgfältig würdigen und das Urteil auf gesicherten Tatsachen beruhe, seien der richterliche Arbeits- und Zeitaufwand pro Verfahren zu beachten [41].

Betrachte man die Anzahl der Berufungen als grobes Maß für die Akzeptanz des Urteils und die Anzahl der Berufungserfolg als Indikator für Gründlichkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, so erweise sich ein vermehrter Einsatzes von Einzelrichtern jedenfalls für die subjektive Verfahrensgerechtigkeit als richtiger Weg zur Entlastung der Ziviljustiz [42].

Die bloße Möglichkeit einer Partei, Berufung einzulegen, zwinge die Untergerichte letztlich zur Befolgung der Vorgaben des Berufungsgerichtes. Die Beschränkung von Rechtsmitteln beseitige diesen Zwang und begünstige divergierende Entscheidungen verschiedener Amtsgerichte in vergleichbaren Fällen. Dies könne die subjektive Verfahrensgerechtigkeit negativ beeinflussen [43].

Urteile ohne Tatbestand gäben den Parteien keine Rückmeldung darüber, welche ihrer Stellungnahmen und Hinweise das Gericht zur Kenntnis genommen und seiner Sachverhaltsfeststellung zugrunde gelegt habe. Solche Wahrnehmungen würden aber die subjektive Verfahrensgerechtigkeit erhöhen [44]. Die Möglichkeit zur Einflußnahme auf den gerichtlichen Entscheidungsprozeß insbesondere die Gelegenheit, der eigenen Sichtweise „Stimme“ zu verleihen, habe sich in zahlreichen Untersuchungen als wesentliche Determinante der subjektiven Verfahrensgerechtigkeit erwiesen.

Westhoff u. a. [45] betonen, daß der Sachverständige einen Beitrag leisten könne zur Gerechtigkeit und Fairness des Verfahrens für das Kind. Ein nachvollziehbares und verständliches psychologisches Gutachten lasse Eltern das Verfahren als gerecht und fair erleben, auch der Richter könne ein solches Gutachten bei seiner Entscheidung für das Kind besser berücksichtigen [46].

Da schon die kognitive Ausbildung in Gerechtigkeitsfragen in Schulen, Universitäten [47] und den Fortbildungsrichtlinien [48] für Juristen ein Schattendasein führen, muß zumindest das Wissen [49] um Gerechtigkeitstheorien erhöht werden. Wie wichtig es ist, Überlegungen von Rennig wissenschaftlich zu erhärten, zeigt die derzeitige Debatte über den Referentenentwurf zur Reform des Zivilprozesses. Offensichtlich soll ohne genaue Kenntnis statistischer Daten und rechtstatsächlicher Erkenntnisse eine Äë heftig kritisierte – Reform durchgeführt werden. So rügt der Vizepräsident der Bundesrechtsanwaltskammer, Ernst [50], die Reform werde durchgeführt, „ohne daß dies im geringsten materieller Gerechtigkeit dient“. Und er fragt weiter, „Braucht der Staat das Verständnis seines Bürgers für die Justiz nicht mehr?“.

«Prozedurale Gerechtigkeit» – ein tauglicher Begriff aus dem Strafverfahren?

Nach Neumann ist Gerechtigkeit im Strafverfahren positivistisch zu verstehen. Richtmaß sei das staatliche Recht und nicht die Gerechtigkeit der Philosophen [51]. Allerdings fordert er, wie schon Adolf Arndt, daß das Strafverfahren, „in dem Recht nicht gefunden, sondern erzeugt wird“ [52], auch den Imperativen der Gerechtigkeit unterstehen müsse. Eine Gegenüberstellung von gerechtem materiellen und nur zweckmäßigem prozessualen Recht sei nicht länger begründet. Neumann arbeitet mit dem Begriff der „prozeduralen Gerechtigkeit im engeren Sinne“ [53]. Anerkannte strafprozessuale Regeln und Prinzipien wie der vom Bundesverfassungsgericht in den Rang eines allgemeinen Prozeßgrundrechtes erhobene Anspruch auf ein faires Verfahren [54] seien „Rechte um ihrer selbst Willen, Forderungen nicht der materialen, sondern der prozeduralen Gerechtigkeit“ [55]. Dazu gehören der Anspruch auf rechtliches Gehör, das Recht, sich des Beistands eines Verteidigers zu bedienen [56] und das in seiner Reichweite umstrittene Prinzip der Waffengleichheit. Neumann relativiert die These, die Gerechtigkeit einer Entscheidung sei nur die Konsequenz der Befolgung der Regeln eines fairen Verfahrens.

„Daß die Entscheidung durch das materielle Recht nicht vollständig determiniert ist, bedeutet nicht, daß sie überhaupt nicht an den Normen des materiellen Rechts gemessen werden könnte. Überzeugend ist diese Theorie deshalb nur in ihrer negativen Form: Ungerecht ist ein Urteil jedenfalls dann, wenn es unter Verletzung elementarer prozessualer Rechte zustande gekommen ist. Die Verfahrensgerechtigkeit ist nur eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung der Gerechtigkeit der Entscheidung.“ [57]

Erfolgreich erprobte Kategorien für ein gerechtes und faires Verfahren

Als Magna-Charta für Verfahrensgerechtigkeit garantiert Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK:

„Jede Person hat ein Recht darauf, daß über Streitigkeiten in bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.“

Die Unabhängigkeit richterlicher Tätigkeit ist als Weisungsfreiheit und persönliche Unabhängigkeit verfassungsrechtlich garantiert. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung [58] gefordert, richterliche Tätigkeit gebiete Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten. Rechtssuchende sollen also nicht vor einem Richter stehen, der einer Partei freundschaftlich oder feindlich gesonnen und damit emotional oder intellektuell voreingenommen ist. [59] Abgesichert wird dieser Grundsatz der Unparteilichkeit auch durch die im familiengerichtlichen Verfahren geltende Möglichkeit der Richterablehnung (§ 42 ZPO) und des Richterausschlusses (§ 6 FGG).

Art. 103 Abs. 1 GG, auch als „prozessuales Urrecht“ [60] bezeichnet, gibt den Prozeßbeteiligten das Recht, sich vor Erlaß der Gerichtsentscheidung zu dem ihr zugrunde liegenden Sachverhalt zu äußern. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, Anträge und Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu beachten. [61]

Indessen ist der Grundsatz des fairen Verfahrens im Grundgesetz nicht ausdrücklich erwähnt. Das Bundesverfassungsgericht leitet dieses „allgemeine Prozeßgrundrecht“ [62] ab aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem allgemeinen Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG). Der Grundsatz des fairen Verfahrens bezieht sich auf das Verhalten der Prozeßbeteiligten und hat die Lücken der bruchstückhaften Verfahrensregeln zu füllen [63].

Die Anwältin vertritt eine Partei mit deren Interessen; deshalb kann Einseitigkeit und Parteilichkeit bei ihr nicht als unfair gerügt werden. Dabei darf sie sich allerdings nicht unsachlich verhalten. Unsachlich ist ein Verhalten, bei dem es sich um die bewußte Verbreitung von Unwahrheiten oder solche herabsetzenden Äußerungen handelt, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensablauf keinen Anlaß gegeben haben, § 43 a Abs. 3 BRAO, Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG [64].

Die Frage, ob die Partei selbst gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen kann, wird in der Literatur – soweit ersichtlich – nur von Zuck [65] bejaht, der meint, die Partei selbst dürfe nicht über ihre Rechte hinausgehen, die die jeweilige Verfahrensstellung erlaube.

Fairness – nur die Sehnsucht nach menschlichem Miteinander?

Ob ein Gerichtsverfahren fair ist, hängt ab – soweit dürfte Einigkeit bestehen -, von dem konkreten Verhalten sowie dahinter stehenden Einstellungen und Werthaltungen der Prozeßbeteiligten. Wann allerdings das „unfaire“ Verhalten eines Richters die Schwelle erreicht hat und als Verstoß gegen das Recht auf einen fairen Prozeß sanktioniert wird, wissen, wie ein Blick in die einschlägigen Kommentare [66] zeigt, die Juristen wohl doch auch nicht so genau. Sie reden von „unbewußter Befangenheit“, die sich „rechtlich nicht aufdecken läßt“ [67] oder von Befangenheit des Richters „als innerer Zustand“, der „seine Unvoreingenommenheit und objektive Einstellung, insbesondere wegen persönlicher Beziehungen, wegen bewußter oder unbewußter Hinneigung oder Abneigung gegenüber einem Beteiligten, beeinträchtigen kann. Dieser Zustand ist in der Regel nicht beweisbar.“ [68]

Gerade weil er nicht beweisbar ist, wächst der Richterin besondere Verantwortung für den Erhalt ihrer Unvoreingenommenheit zu, die sie, im wahrsten Sinne des Wortes nicht wahrnehmen kann, wenn sie unbewußt voreingenommen ist. Erst die Akzeptanz der Erkenntnis, daß es unbewußte Voreingenommenheit gibt, kann im konkreten Fall überhaupt bei der Richterin die Suche nach solchen unbewußten Verzerrungen auslösen.

Und ohne wissenschaftliche Forschung, zu der M. Mahlmann [69] einen beachtenswerten Beitrag leistet, wird die Grundlagenkrise der Rechtswissenschaft nicht behoben, weil die Entscheidungen der Gerichte nicht aufgrund rechtlicher Regeln sondern aufgrund „anderer irrationaler Mechanismen, die vom Frühstück des Richters bis zu seinen sublimierten Trieben reichen“ [70], gefällt würden [71].

Es fragt sich genereller, wie die Fähigkeit, unvoreingenommen und nach rechtlichen Regeln zu handeln und zu entscheiden, entwickelt und gefördert werden kann. Der Begriff der Fairness; bleibt zwar zwischen und innerhalb der Wissenschaften unscharf, aber doch mit einem breiten Überschneidungsbereich, der zwar keine präzise und allseits akzeptierte Definition zuläßt, aber eine Diskussion, Nutzbarmachung und einen Transfer von Erkenntnissen.

Antworten, wie eine faire Haltung entsteht, findet man bei Piaget, der von Regel- bzw. Moralentwicklung spricht [72]. Er beschreibt die verschiedenen Stufen, die durch Sozialbeziehungen, vom Zwang der Erwachsenen bis zur Autonomie der kooperativen Moral vorangetrieben werden. Dabei findet – so die Erwachsenen den nötigen Freiraum lassen – eine zunehmende Emanzipation statt von der Position der Unterordnung zu einem System der ausgleichenden Gerechtigkeit [73]

Kohlberg [74]hat, anknüpfend an Piagets Analysen, ein Modell der Entwicklung des moralischen Urteils und der Gerechtigkeit ausgearbeitet. Seine Äë sechs – Stufen der Moralentwicklung hat er empirisch belegt durch eine Längsschnittstudie mit 70 männlichen Probanden aus den USA, denen vom zehnten Lebensjahr an im Abstand von 3 Jahren moralische Dilemmata vorgelegt wurden. Ihre moralische Lösung hat er dann den entsprechenden Stufen zugeordnet. Er kommt zu dem Ergebnis, daß die Entwicklung der Urteilskompetenz ein stabiles „Gleichgewicht“ in der höchsten Stufe (sechs) erreiche[75].

Zurück also zu Freud? Von ihm haben wir gelernt, daß das „Über-Ich“, eine besondere Instanz im „Ich“, für das „moralische Schuldgefühl“ [76] sorgt, das eine Bedingung für faires Verhalten sein kann, insoweit ergänzen sich die Vorstellungen bezüglich der Moralentwicklung von Freud und Piaget. Folgen wir Freud, ist moralgesteuertes Verhalten kein „moralisches Korsett“, das mal eben übergestreift wird, sondern das Ergebnis einer langen und gelungenen Sozialisation innerhalb stabiler Beziehungen, Fairness mithin eine Haltung, die in Familie und Gesellschaft im Prozeß des Großwerdens – also über eine lange Zeit – entsteht.

Fairness also „nur“ ein respektvolles und freundschaftliches Miteinander [77], ein Ausdruck frommer Wünsche wie schlechten Gewissens, mehr Symbol mit hohem utopischen Gehalt, aber letztlich doch entbehrlich? [78].

Unwahr – unerheblich – unsachlich – also weder Gerechtigkeit noch Fairness? Einige Fallbeispiele

Die Darstellung der rechtsphilosophischen Gerechtigkeitsdebatte und der empirischen Forschungsergebnisse hat gezeigt, daß derzeit keine auch nur vorläufige Begriffsbestimmung für „Gerechtigkeit im familiengerichtlichen Verfahren“ möglich ist. Ohne Frage, es lohnte sich, „ungerechte“ Urteile, die aufgrund ungerechten materiellen Rechts gefällt wurden, zu untersuchen. Schließlich hat insbesondere das Familienrecht seit Geltung des Gleichberechtigungsgesetzes (1953) unzählige Änderungen erfahren und zwar gerade aufgrund geänderter Gerechtigkeitsvorstellungen in der Gesellschaft [79]. Eine Forschung zum materiell gerechtem Recht müßte Abgrenzungen vornehmen zwischen allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen und dem Ausgleich von Einzelinteressen. Und dies nicht nur bei der Verteilung von Gütern – wie Unterhalt – sondern auch bei widerstreitenden Interessen der einzelnen Familienmitglieder untereinander [80]. Über lange historische Distanzen wurden Menschen – z. B. Frauen und Kinder – unterdrückt. Die ungerecht Behandelten meldeten sich zu Wort und erreichten Änderungen im materiellen Recht.

Wie groß der Bedarf ist, „ungerechte“ Urteile zu ändern, zeigt der Beitrag des Richters Gerhardt aus München [81], der ein „fast vergessenes Problem beim Ehegattenunterhalt“ aufgreift, nämlich die Benachteiligung der kinderbetreuenden, haushaltsführenden Ehefrau, die nach der Trennung eine – nicht prägende – Berufstätigkeit aufnimmt, mit den bekannten Folgen. Gerhardt plädiert im Ergebnis für die Abschaffung der „ungerechten“ Anrechnungsmethode. [82] Ein Forschungsprojekt über Gerechtigkeit im Familienrecht müßte sich mit der Unterscheidung eines objektiv gerechten, aber doch subjektiv als ungerecht empfundenen Urteil auseinandersetzen und umgekehrt [83]. An dieser Stelle wäre auch zu fragen, was Gerichtsverfahren eigentlich leisten können. Die zu verbessernde Kommunikation zwischen den Verfahrensbeteiligten würde dennoch nicht bewirken, daß etwa der Schmerz eines Vaters, dessen Kind nicht mehr bei ihm leben darf, aus der Welt geschaffen wird. Kann man diese Gerechtigkeitserwartung tatsächlich im Gerichtsverfahren einlösen, würde das Verfahren nicht überfrachtet? Muß also nicht die Gesellschaft zusätzliche Hilfen anbieten, um Gerechtigkeit herzustellen?

Hof [84] und Rennig [85] heben als Kriterium für Gerechtigkeit auch die Möglichkeit der Fehlerkorrektur hervor. Damit ist das vielschichtige Problem der Rechtssicherheit angesprochen.

Wenn Richter der unteren Instanz der Rechtsprechung der Obergerichte nicht gefolgt sind, mögen sie im Einzelfall „gerechter“ geurteilt haben, möglicherweise auf Kosten der Rechtssicherheit, einem hohem Gut. Verhindert doch die Überprüfung durch höhere Instanzen, daß „wildwüchsig“ entschieden wird. Zwar ist die Kritik berechtigt, die Rechtsprechung des BGH sei oft fern von den tatsächlichen Konflikten der Menschen, d. h. gesellschaftliche Probleme erreichten das oberste Gericht erst gefiltert durch viele Instanzen, und auch erst nach vielen Jahren, so daß sich die Rechtsprechung des BGH auch nur schwerfällig ändere. Frauen werden etwa die Rechtsprechung des BGH [86] zur Sittenwidrigkeit von Eheverträgen als ungerecht beanstanden und kaum Verständnis dafür aufbringen, daß wir Praktiker uns freuen, aufgrund dieser Rechtsprechung zuverlässigen Rat erteilen zu können. [87]

Auch für das Familienrecht ist die Mahnung Neumanns ernst zu nehmen, daß auch das Prozeßrecht nicht nur den Maßstäben der Zweckmäßigkeit, sondern auch denen der Gerechtigkeit zu entsprechen hat. Dafür kann man sich auf zahlreiche Entscheidungen stützen:

Eine lange Verfahrensdauer verstößt gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und kann zur Ablehnung des Richters [88] führen. Auch wenn das Familiengericht gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs [89] und der Waffengleichheit, der Neutralität und Unparteilichkeit [90] verstößt, gehört es zu den prozessualen Garantien eines fairen Verfahrens [91], daß jeder Partei die Möglichkeit hat, sich mit einem Ablehnungsgesuch oder Rechtsmittel in der Sache selbst [92] zur Wehr zu setzen.

Ich frage, ob es über diese bereits rechtlich und gesetzlich erfaßbaren Kriterien für ein prozedural gerechtes Verfahren Kriterien gibt, die sich nicht in Regeln fassen lassen, deren Voraussetzungen nicht oder nur schwer bewiesen werden können und die insoweit der individuellen Verantwortung der Beteiligten jenseits formeller Kontrolle überantwortet bleiben und schlage vor, den Begriff der „Fairness“ dafür zu reservieren.

Vieles von dem, was unter dem Fairness-Aspekt diskutiert worden ist, erweist sich allerdings als durchaus mit „unwahr, unsachlich, unerheblich“ bearbeitbar, also mit prozeßrechtlich normierten Kriterien. Ein Verstoß dagegen wird durch die Beweisaufnahme, die Schlüssigkeits- und Erheblichkeitsprüfung ganz unabhängig davon korrigiert, ob der Regelverstoß bewußt oder unbewußt, vorsätzlich oder fahrlässig erfolgte.

Allerdings: Derjenige, der unterhalb der Erheblichkeitsschwelle für verfahrensrechtliche Kontrollen lügt, die Gegenseite herabsetzt und das Gericht „überschwemmt“, diejenige, die ihre Befangenheit hinter der Maske der Gleichmütigkeit zu verbergen weiß, all diese berücksichtigen die Regeln und ihre prozessuale Implementation, um sie zu brechen und diesen Bruch der Kontrolle und Korrektur zu entziehen. Hierher gehört auch folgende Überlegung: Da Richter schon allein wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden können, werden sie alles tun, um jeden Anflug von Befangenheit gezielt zu vertuschen – auch ein unfaires Verhalten. Ein großer Teil beruflicher Erfahrung und beruflicher Sozialisation, fürchte ich, dient dazu, Regeln gekonnt zu unterlaufen. Dagegen helfen keine Regeln, sondern „Fairness als Tugend“ [93]. In diesem Sinne kann ein Handeln prozeßrechtlich nicht zu beanstanden, gleichwohl unfair sein. Dieser Teil beruflicher Sozialisation bleibt oft unreflektiert, die Wirkungen wie auch die daraus resultierenden Handlungen wie ihre Motive unbewußt oder sie werden neutralisiert, gerechtfertigt, bagatellisiert oder als unabdingbar für erfolgreiche Berufstätigkeit ausgegeben.

Die Fairnessdebatte entzündete sich u. a. an Verfahren, in denen Väter bezichtigt wurden, ihr Kind sexuell mißbraucht zu haben, und in denen als „männliche Retourkutscher“ der Vorwurf erhoben wurde, Mütter infizierten ihre Kinder mit dem PA-Syndrom. Bei diesen sattsam bekannten Vorwürfen ist zunächst für die beteiligte Partei und ihre Rechtsanwältin zu unterscheiden, ob solcher Vortrag wahr oder unwahr ist. Verstöße gegen die Wahrheitspflicht werden mit strafrechtlichen und/oder berufsrechtlichen Sanktionen geahndet, der Begriff der Fairness muß nicht bemüht werden. Wenn eine Mutter den Eindruck hat, daß Kindesmißbrauch geschehen ist, kann es nicht unfair sein, wenn sie die Tatsachen vorbringt, die für sie diesen Verdacht begründen. Allerdings gebietet der Grundsatz, wahrheitsgemäß vorzutragen, auch, daß zwischen Tatsachen und den hieraus gezogenen Schlüssen getrennt wird. Dies geht allzu häufig reichlich durcheinander, weil zerstrittene Ehepaare aus Wut und Haß aufeinander zu Übertreibungen neigen und die gebotene Trennung zwischen wahr und unwahr nicht mehr zu ziehen vermögen oder dies auch nicht wollen.

Schriftsätze solcher Art und Güte müssen nicht nur die „Wahrheitskontrolle passiert“ haben, sie sind auch an dem Kriterium „erheblich – unerheblich“ für die Entscheidung des Rechtsstreites zu messen. Sollte eine Anwältin ihrer Partei raten, den falschen Mißbrauchsvorwurf zu erheben, in der Hoffnung, daß schon „etwas hängen bleibt“, verstößt sie gegen das Gebot der Wahrheitspflicht und Sachlichkeit.

Es gibt allerdings Prozesse, bei denen Erhebliches und Unerhebliches – vermengt und schwer auseinander zu halten – vorgetragen wird. Die Ehefrau, die einen „Seitensprung“ begangen hat, wird vom Ehemann als insgesamt unzuverlässig, liederlich und unmoralisch dargestellt. Der Ehemann, der seine Frau geschlagen hat, wird von ihr als latent gewalttätig dargestellt, als Mann der sie stets drangsaliert, moralisch unter Druck gesetzt, abgewertet und niedergemacht hat.

Kommt man in solchen Fällen mit der Elle unfairen Verhaltens weiter? Die Prozeßpartei, die Übertreibungen, falsche Gewichtungen und Bewertungen unbewußt vorbringt, handelt schwerlich unfair, bei bewußt falschem Vortrag verstößt sie gegen das Gebot zur Wahrheitspflicht. Der Anwalt, der Wahrheit und Dichtung vermengt, ohne daß ihm den Unterschied deutlich wird, verstößt nicht gegen die Wahrheitspflicht. Viele Anwälte machen sich gar nicht die Mühe, Erhebliches von Unerheblichem zu unterscheiden oder aber, noch schlimmer, sie wissen es selbst nicht so genau. In beiden Fällen arbeiten sie unprofessionell – und das sind die häufigsten Fälle. Es ist dann Aufgabe des Gerichts, vor Verkündung des Urteils den Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt erheblich und unerheblich zu sichten. Bei anwaltlicher Nachfrage soll das Gericht mitteilen, ob es den Sachvortrag, der dieses Gütesiegel nicht verdient, als erheblich betrachtet oder nicht, damit unter Beweisantritt noch vorgetragen werden kann.

Läßt sich der Richter, der mitteilt, er halte den Vortrag für unerheblich, dennoch beeinflussen, arbeitet auch er unprofessionell. Ist ihm seine Beeinflussung nicht bewußt, handelt er nicht unfair; ist sie ihm bewußt, verstößt er gegen das Gebot der Unparteilichkeit. Dabei soll nicht verkannt werden, daß ein Ablehnungsantrag gegen den Richter bei dieser Art von Parteilichkeit oft nicht greift. Mit der Forderung nach Fairness kommt man hier vielleicht weiter, auf jeden Fall mit einer besseren Juristenausbildung, die Kognition und Affekt, Verstand und Gefühl integriert [94].

Ein Anwalt dürfte dann gegen das Gebot der Fairness verstoßen, wenn er in Kenntnis der Unerheblichkeit seines Sachvortrages die Partei gezielt befragt und entsprechend vorträgt, mit dem Kalkül, daß die betreffende Richterin für bestimmte Argumente „anfällig ist“. Der Anwalt handelt dann mit Nachteilsabsicht und verstößt dadurch gegen die Fairness.

Fairness verbietet also, daß ich im Verfahren bewußt Mittel einsetze, die auf das Gericht und den Gegner einwirken, um bei ihnen persönliche Vorlieben oder Schwächen auszunutzen.

So dürfte es als unfair zu bezeichnen sein, wenn eine Anwältin den zuständigen Richter, den sie kennt und mit dem sie „gut kann“, anriefe, und die Gegenpartei schlechtmachte, wissend, daß dies schon seine Wirkung tun werde. In diesem Fall wäre der Richter nicht mehr neutral, ohne daß er wegen Befangenheit abgelehnt werden könnte, weil die Gegenseite davon nichts erführe.

Als Fairnessverstoß wäre auch zu bewerten, wenn die Mandantin auf die Schwäche des Richters für lange Beine und kurze Röcke hingewiesen wird, und sie sich entsprechend für den Termin kostümiert. Gleiches gilt für den Ehemann, der von seinem Anwalt präpariert wird, er möge sich von seiner Geliebten schminken lassen und dann elend aussehend, gebeugten Hauptes und mit gebrochener Stimme vortragen, daß ihn das böswillige Verlassen der Ehefrau völlig fertigmache. In solchen Fällen werden – unfaire – Mittel eingesetzt, um das Gericht zu beeinflussen.

Differenzierter zu betrachten ist der Fall, bei dem der Mann in der Ehe in erheblichem Umfang „Schwarzgelder“ eingenommen hat. Diese wurden verbraucht, zum Teil wurde beträchtliches Vermögen angehäuft. Der Ehemann lehnt Unterhaltszahlungen unter Berücksichtigung des „Schwarzgeldes“ und auch den Ausgleich des Vermögens im Zugewinn ab. Das entsprechende Vorbringen der Frau ist wahr und auch erheblich – ist es dennoch unfair? Hier wäre es fair, den Ehemann zunächst außergerichtlich aufzufordern, die Ansprüche anzuerkennen, um ihm die Möglichkeit zu geben, etwa durch Selbstanzeige und Beendigung der „Schwarzarbeit“ die Angelegenheit zu bereinigen. Lehnt er gleichwohl jegliche Zahlung ab, kann entsprechendes Prozeßvorbringen seiner Frau nicht als unfair gelten. Zwar stürzt dies manche Frauen in quälende oder auch freudige Überlegungen, ob sie diesen Schritt mit etwaigen strafrechtlichen Sanktionen gehen sollen. Unfair ist ihr Verhalten nicht. Unfair ist vielmehr das Verhalten des Ehemannes, der das Aufdecken vermeiden könnte durch Anerkenntnis des zunächst außergerichtlich geforderten Anspruchs.

Oder, der Ehemann kämpft um das Sorgerecht. Er hat während des Zusammenlebens, ohne gegen Strafrechtsnormen zu verstoßen, das Tagebuch seiner Frau gelesen, in dem sie sich mit ihrem Problem auseinandersetzt, sadomasochistische Gelüste als Domina ausleben zu wollen. Ein entsprechender Sachvortrag des Ehemannes wäre wahr und – unterstellt – auch erheblich, wäre er aber auch unfair? Zumindest wohl dann, wenn der Mann selbst nicht glaubt, daß diese Neigung nur in der Phantasie seiner Frau ausgelebt, tatsächlich kindeswohlgefährdend sei. In schädigender Absicht setzt er die persönliche Integrität und Würde seiner Frau herab.

Zum fairen Handeln der Anwältin mag auch gehören, ihre Partei zu mehr Fairness zu bewegen, denn das faire Verfahren ist Produkt des Handelns aller Beteiligter, der Laien wie der Professionellen.

Nur in Ausnahmefällen ist Fairness ein tauglicher Begriff, Unfairness ein brauchbares Argument. Die prozessual verwertbaren Argumente liegen gleichsam eine Ebene tiefer und sind spezifischer, wenngleich sie, wie oben hervorgehoben, als Ausdruck und Umsetzung von Verfahrensgerechtigkeit zu lesen sind.

Aber die Unfairness, die jenseits der greifbaren, beweisbaren, bewußt wahrgenommenen Regelverstöße liegt, dürfte keineswegs zu den Ausnahmen gehören. An vieles haben wir uns gewöhnt, und damit abgefunden.

Aber alle Beteiligten, und besonders die Laien, denen dieser berufliche „Abhärtungsprozeß“ entgangen ist, haben oft ein feines Gespür dafür. Wenn man an die empirischen Befunde zur Verfahrensgerechtigkeit denkt, wird die Akzeptanz von Urteilen geringer sein, die Versuche, die Urteile zu „unterlaufen“, die Konsequenzen zu umgehen, größer. Mag der Begriff „Unfairness;“ als Argument im Verfahren untauglich sein, die Sache ist alles andere als unerheblich. Die Orte, an denen die Quellen für diese Unfairness sprudeln, liegen allerdings außerhalb des Verfahrens.


 

[1] Uwe Wesel, „Geschichte des Rechts“, München 1997, S. 145: „[…] die wahre Gerechtigkeit sei nicht die numerische Gleichheit, die sehr leicht herzustellen sei, sondern die proportionale. Diese nämlich sei nicht so leicht zu erkennen, weil ein anerkannter Maßstab fehle, und letztlich nur von den Göttern festzustellen (Nomoi 757).“

[2] Uwe Wesel a.a.O., S. 144

[3] Wesel a.a.O., S. 47

[4] Nils Jansen, „Die Struktur der Gerechtigkeit“, Baden-Baden 1998, S. 15

[5] Wesel a.a.O. S. 398 ff.

[6] Sibylle Tönnies, ZRP 1990, S. 292

[7] „Ganz anders als man bisher meinte. Der Meilenstein auf dem Weg zur Unabhängigkeit der Justiz lag ziemlich weit entfernt von Recht und Gerechtigkeit.“, Wesel a.a.O. S. 400

[8] Otfried Höffe, „Politische Gerechtigkeit“, Frankfurt/M. Suhrkamp 1994, S. 26

[9] Dennis Petterson, „Recht und Wahrheit“, Baden-Baden 1999, S. 167

[10] John Rawls, „Eine Theorie der Gerechtigkeit“, Suhrkamp 1998; ders.: „Gerechtigkeit als Fairness“, S. 653 ff.; ders.: „Gerechtigkeit als Fairness: politisch und nicht metaphysisch“ in: Axel Honneth (Hg.), „Kommunitarismus“, Frankfurt/New York 1995 S. 36

[11] Jürgen Habermas, „Wahrheitstheorien“ in: ders. „Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns“, Frankfurt/M. 1984, S. 127-183

[12] R. Forst, „Kontexte der Gerechtigkeit“, Frankfurt/M. 1994, zählt ohne Anspruch auf Vollständigkeit in seiner Bibliographie zur Liberalismus-Kommunitarismus-Debatte 550 Titel (S. 438 f.) auf; Die Gerechtigkeitsdiskussion ist mittlerweile in einen allgemeineren Diskurs normativer Grundlagen demokratischer Gesellschaften übergegangen.

[13] John Rawls, „Eine Theorie der Gerechtigkeit“, S. 28

[14] vgl. die Diskussion in Axel Honneth (Hg.) a.a.O., insbesondere M. Walzer, „Die kommunitaristische Kritik am Liberalismus“, S. 157 ff.

[15] Amy Gutman, „Die kommunitaristischen Kritiker des Liberalismus“, in: Axel Honneth a.a.O. S. 68 ff.

[16] Dirk Fabricius, „Wurzeln der Gerechtigkeit“ in: Recht & Psychiatrie 1993, S. 128 ff.; M. Sandel, „Die verfahrensrechtliche Republik und das ungebundene Selbst“, in: Axel Honneth, S. 18 ff; Rawls, „Eine Theorie der Gerechtigkeit“, S. 478

[17] Nils Jansen, der heftig klagt, daß die Gerechtigkeitstheorien inkommensurabel geworden sind, versucht mit seinem Buch, „Die Struktur der Gerechtigkeit“, eine umfassende und integrative Theorie der Gerechtigkeit bzw. deren Bedingungen zu entwickeln. Ob seine Idee „einer freistehenden Prinzipienkonzeption der Gerechtigkeit, die sich mittels weniger Diskursregeln ausdrücken läßt“ (S. 310) tatsächlich geeignet ist, die Lösung von Gerechtigkeitsproblemen in realen Diskursen zu erreichen, erscheint mir fraglich.

[18] Damals überwogen analytische Gerechtigkeitstheorien, die die Logik, Semantik und Struktur von Gerechtigkeitsurteilen untersuchten., vgl. u. a. H. Kelsen, „Das Problem der Gerechtigkeit“, in: Reine Rechtslehre, 2. A., wie 1960, S. 355 ff.

[19] U. Neumann, „Materiale und prozedurale Gerechtigkeit im Strafverfahren“, ZStW 101 (1989), S. 52 ff.

[20] Bierbrauer/Gottwald/Birnbreier-Stahlberger (Hg.), „Verfahrensgerechtigkeit“, Köln 1995

[21] Bierbrauer u. a. a.a.O., S. 3 ff.

[22] Bierbrauer u. a. a.a.O., S. 73

[23] E. Allan Lind, „Verfahrensgerechtigkeit und Akzeptanz rechtlicher Autorität“, in: Bierbrauer u. a., S. 3 ff.

[24] Lind a.a.O., S. 4, so auch schon Lind und Taylor im Jahre 1988, vgl. Lind a.a.O.

[25] Lind a.a.O., S. 7, 10

[26] Paul Richli, „Über die Bedeutung von Verfahrensgerechtigkeit, materialer Gerechtigkeit und EquityÄëTheorie für die Rechtsetzung“, in: Bierbrauer u. a., S. 41 ff.

[27] Richli a.a.O., S. 43

[28] Richli a.a.O., S. 45; Die Equity-Theorie geht von vier zentralen Ausnahmen aus: „Individuen versuchen, die Ergebnisse ihres Einsatzes, d. h. ihre Belohnung, zu maximieren. Aus der Idee, daß alle Personen in einer Gesellschaft leiden würden, wenn jeder sein individuelles Interesse durchsetzen könnte, folgt die nächste Annahme. Gruppen können die kollektive Belohnung maximieren, indem sie allgemein akzeptierte Regeln für eine gerechte Zuteilung von Belohnungen und Kosten unter den Mitgliedern entwickeln und ihnen normative Kraft verleihen. Diese führen zur Belohnung von gerechtem und zur Bestrafung von ungerechtem Verhalten. Unausgewogene Beziehungen werden als ungerecht empfunden und verursachen im Individuum Unbehagen. Je größer die Unausgewogenheit ist, um so größer wird das Unbehagen. Das Unbehagen motiviert das Individuum dazu, auf die Wiederherstellung der Ausgewogenheit in der Beziehung hinzuwirken.“

[29] Richli a.a.O., S. 47

[30] H. Hof, „Verfahrensgerechtigkeit im Schnittfeld von Recht und Verhalten“, in: Bierbrauer u. a., S. 53 ff.

[31] Hof a.a.O., S. 68

[32] Hof a.a.O., S. 69

[33] Walther Gottwald, „Der Beitrag der psychologischen Verfahrensforschung für die Ziviljustiz – einige Fragen und Erwartungen“, in: Bierbrauer u. a., S. 73 ff.

[34] Gottwald a.a.O., S. 74 unter Hinweis auf BGH, NJW 1992, S. 896; BVerfGE, NJW 1994, S. 36

[35] Gottwald a.a.O., S. 79

[36] Gottwald a.a.O., S. 80

[37] Gottwald a.a.O., S. 82

[38] Christoph Rennig, „Hypothesen zur subjektiven Verfahrensgerechtigkeit im deutschen Zivilprozeß“, in: Bierbrauer a.a.O., S. 83

[39] Rennig a.a.O., S. 84

[40] Rennig a.a.O., S. 87, „Im Jahre 1987 wurde z. B. bei extrem hoher Geschäftsbelastung von einer seit 1978 um rund 14 % gestiegenen Zahl von Zivilrichtern fast 47 % Verfahren mehr erledigt als im Jahr 1978. Diese Erhöhung der Erledigungsrate konnte wohl kaum ohne eine Verminderung des durchschnittlichen richterlichen Zeit- und Arbeitsaufwandes pro erledigtem Verfahren erreicht werden. Dies dürfte sich auch auf die erlebte Verfahrensgerechtigkeit und in der Folge auch auf die Akzeptanz der Ziviljustiz und ihrer Entscheidungen sowie auf deren Befolgung ausgewirkt haben.“

[41] Rennig a.a.O., S. 87; er bezieht sich auf den Beitrag von Volkmar Haller u. a., „Urteil und Verfahrensgerechtigkeit aus der Perspektive jugendlicher Strafgefangener“, in: Bierbrauer u. a., S. 111 ff.; Haller (1987) befragte 120 deutsche Jugendgefangene, wobei Rennig die Übertragbarkeit von Forschungsergebnissen aus dem Straf- auf den Zivilprozeß, als problematisch betrachtet, die Gründe hierfür nicht vertieft.

[42] Rennig a.a.O., S. 92; Schließlich gaben Anfang 1988 in Berlin nicht weniger als 83 % der Befragten einer repräsentativen Stichprobe an, sie würden ein Justizsystem mit mehreren Instanzen einem System mit nur einer Instanz vorziehen und zwar auch dann, wenn der Weg durch die Instanzen mehrere Jahre dauern würde., vgl. Rennig a.a.O. S. 93

[43] Rennig a.a.O.

[44] Rennig a.a.O., S. 94

[45] Karl Westhoff, Patricia Terlinden-Arzt & Antje Klüber, „Psychologische Gutachten für das Familiengericht – Gerechtigkeit und Fairness; für das Kind“, in: Bierbrauer u. a., S. 99 ff.

[46] Westhoff u. a. a.a.O., S. 100

[47] vgl. D. Fabricius a.a.O., S. 135

[48] vgl. AnwBl. 2/2000, Sonderheft, Forum des Deutschen Anwaltvereins „Zukunft der Anwaltschaft“, S. 1 ff.: Hier wird zwar beklagt, daß immer weniger immaterielle Werte weitergegeben werden, im übrigen wird aber bei den „Thesen des Forums“ allein auf „formelle Werte“ wie Verschwiegenheit, Unabhängigkeit, Wettbewerbsfähigkeit pp. Bezug genommen; vgl. auch RA G. Vorbrugg, „Qualitätsmanagement in Anwaltskanzleien“, in: AnwBl. 7/1999, S. 368

[49] Zuck, „Das innere Berufsbild: Hürde oder Hilfe für das anwaltliche Selbstverständnis?“, AnwBl. 1/2000, S. 3 ff. stellt fest: „Insoweit bleibt es legitim, von Ehre und Würde zu sprechen, weil damit mehrheitlich anerkannte Werte angesprochen werden, und auch vom Ansehen eines Standes, weil das die selbst bestimmte Ansehung dieses Standes durch seine Berufsangehörigen zum Ausdruck bringt. Unreglementierte Selbstbestimmung des Einzelnen ist sonach Selbstbestimmung durch die Berufsangehörigen in dem dafür vorgesehenen Verfahren, also eine demokratisch legitimierte Freiheit.“, S. 8

[50] Jürgen F. Ernst, „Formalismus statt Gerechtigkeit? BRAK-Mitt. 1/2000, S. 3 ff.

[51] U. Neumann a.a.O. S. 52

[52] U. Neumann a.a.O. S. 56

[53] U. Neumann a.a.O. S. 67

[54] BVerfGE 57, 250, 275

[55] U. Neumann a.a.O. S. 69

[56] BVerfGE 39, 238.243

[57] U. Neumann a.a.O. S. 70

[58] BVerfGE 3, 377, 381; 4, 331, 346; 14, 56, 59

[59] BVerfGE 21, 139, 145

[60] BVerfGE 55, 1, 6

[61] BVerfGE 11, 218, 220; 65, 305, 307, st. Rspr.; zur Geltung auch in familiengerichtlichen Verfahren vgl. BGH FamRZ 2000 S. 219, 220 m.w.N.; OLG Naumburg FamRZ 2000 S. 106

[62] BVerfGE 57, S. 274 ff.; BVerfGE 26, 66 [71]; 38, 105 [111]; 39, 238 [243]; 40, 95 [99]; 41, 246 [249]; 46, 202 [210].

[63] Zuck, „Befangenheit als Fehlerquelle für ein faires Verfahren“, in: DRiZ 1988 S. 172, 178

[64] BVerfGE 76, 171; Feuerich/Braun, BRAO – Kommentar, 4. Auflage, § 43 a Rz 30

[65] Zuck a.a.O. S. 179

[66] vgl. Kommentierung zu § 6 FGG Keidel/Kuntze/Winkler; OLG Brandenburg FamRZ 1997, S. 428

[67] vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 42 G 2 b) bb)

[68] Keidel/Kuntze/ Winkler, § 6 RZ 40 FGG Rz S. 15

[69] M. Mahlmann, Rationalismus in der praktischen Theorie, Baden-Baden 1999

[70] Mahlmann a.a.O. S. 18

[71] „Diese skeptische Krise der Jurisprudenz sollte man nicht in ihrer Bedeutung unterschätzen. Sie unterhöhlt die Legitimität der Rechtsprechung und der Bemühungen der Rechtswissenschaft, eine rationale Regelauslegung zu betreiben. […] Die Herrschaft der allgemeinen Regel scheint nur die tröstliche Maske für das häßlichere Antlitz der partikularen, irrationalen Dezision zu sein.“, Mahlmann a.a.O. S. 19 unter Bezug auf Luhmann, „Die Gesellschaft der Gesellschaft“, 1997, S. 1044 ff.

[72] Piaget, „Das moralische Urteil beim Kind“, (1986) S. 236

[73] Piaget, vgl. auch zur Fairness-Diskussion im Sport, R. Peuke, SPECTRUM 1993, S. 1, 10

[74] Kohlberg u.a., „Die Wiederkehr der sechsten Stufe: Gerechtigkeit, Wohlwollen und der Standpunkt der Moral“, in: Edelstein/Nunner-Winkler, „Zur Bestimmung der Moral“, Frankfurt/M. 1996 S. 205 ff.

[75] Hieran übt Mahlmann grundsätzliche Kritik; a.a.O., S. 266

[76] Freud, Band I, S. 507

[77] Peuke a.a.O., S. 10: „So werden unsere Kinder also nicht müde, miteinander zu spielen, weil sie ein Bedürfnis nach Nähe haben, und sind so gezwungen, sich zu verständigen, trainieren sich also gegenseitig den Egozentrismus ab.“, vgl. auch Piaget a.a.O., S. 63, 224

[78] D. Fabricius a.a.O., S. 136: „Den Standpunkt des anderen mit dessen Augen sehen zu lernen, um ihm gerecht zu werden, ohne das eigene Recht aus den Augen zu verlieren, ist ein komplizierter Vorgang.“

[79] Schwab, FamRZ 1995, S. 514, „Familienrecht im Umbruch“

[80] Die Familie war ein autonomes Gebilde, verbunden mit der Herrschaft des Mannes im Hause, der die Rechte der Mitglieder als Treuhänder verwaltete. Nach dem Sturz des Patriarchen eröffnete sich die Familie sozusagen einer primärindividualrechtlichen Sicht, die Entwicklung ist bekannt. Zunächst ging es um Frauenrechte, dann um Kinderrechte, schließlich um die Väterrechte.

[81] P. Gerhardt, „Eheliche Lebensverhältnisse bei Kinderbetreuung und Haushaltsführung“, FamRZ 2000, S. 134; BGH FamRZ 1984, S. 358; 1986 S. 783

[82] Diese Forderung wurde erstmalig – und jahrelang unerhört – von den Wissenschaftlerinnen D. Lucke / S. Berghahn, „Angemessenheit“ im Scheidungsrecht, Opladen 1983,erhoben

[83] vgl. Gottwald a.a.O. S. 73 ff.

[84] Hof a.a.O. S. 53

[85] Rennig a.a.O. S. 83

[86] BGH FamRZ 1991, S. 306; BGH FamRZ 1992, S. 1403; BGH FamRZ 1995, S. 291; OLG Celle FamRZ 1992, S. 447

[87] Ein Beispiel für das Spannungsverhältnis zwischen Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit zeigt die – noch nicht veröffentlichte – Entscheidung des OLG Köln vom 21.05.1999, derzufolge ein notariell abgeschlossener Vertrag, Ehegattengetrenntlebenunterhaltsansprüche nicht geltend zu machen, keinen Verstoß gegen § 1614 BGB darstellt.

[88] BayObLG FamRZ 1998 S. 1240; OLG Bamberg FamRZ 1998 S. 1443; OLG Karlsruhe FamRZ 1999 S. 444; OLG Bamberg FamRZ 1999 S. 445; OLG Düsseldorf FamRZ 1999 S. 1667

[89] BGH FamRZ 2000, S. 219, 220; OLG Frankfurt/M. FamRZ 1998 S. 377

[90] OLG Hamm FamRZ 1999 S. 936

[91] BGH WM S. 559, 560; OLG Zweibrücken MDR 1998 S. 436 ff.; LG Mönchengladbach MDR 1998 S. 1181; BverfG FamRZ 1987 S. 786 ff.

[92] vgl. OLG Naumburg 2000, S. 106 zur rückwirkenden Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wegen Anspruch auf faires Verfahren

[93] Fabricius a.a.O., S. 129

[94] Fabricius a.a.O. S. 131

Margarete Fabricius-Brand

Margarete Fabricius-Brand

Als Fachanwältin für Familienrecht mit langjähriger Praxiserfahrung und Diplom-Psychologin verfüge ich über Spezialkenntnisse, die mich befähigen, Ihre familienrechtlichen Probleme zu lösen.