Kinder vor Gericht – aber nicht ausnahmslos

So das Ergebnis einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom April dieses Jahres (03.04.2023). Überprüft wurde eine Entscheidung des Amtsgerichtes, bestätigt durch das Oberlandesgericht. Beide Gerichte hatten den Umgang eines Vaters mit seinen Kindern bis Ende des Jahres 2024 ausgeschlossen, § 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB.

Die Kinder lehnten den Umgang mit ihrem Vater ab. Vorausgegangen war ein schwerer sexueller Missbrauch des Vaters, in dessen Folge die Kinder unter großen Ängsten litten. Den sehr lange dauernden Umgangsausschluss hatte das Oberlandesgericht begründet mit drohender Kindeswohlgefährdung. Es sah sich in der Lage diese festzustellen. Das Gericht stützte sich auf mehrere Erkenntnisquellen. Es ließ sich das Gutachten aus erster Instanz erneut von der Sachverständigen vortragen bzw. erläutern. Ebenfalls wurde die Stellungnahme des Verfahrensbeistandes und des Jugendamtes zugrunde gelegt. Die Erkenntnisse aus diesen drei Quellen reichten dem Oberlandesgericht, die drohende Kindeswohlgefährdung zu begründen.

Der Ausschluss des Umgangs erfolgte ohne erneute Anhörung der Kinder in dieser Instanz. Sie sollten durch eine weitere Anhörung nicht unnötig belastet werden.

Hierin sah der Vater eine Verletzung seines grundrechtlich gesicherten Elternrechts auf Umgang gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.

Das Bundesverfassungsgericht bestätigte in seiner Entscheidung grundsätzlich, dass auch in der zweiten Instanz eine zweite Kindesanhörung stattzufinden habe, wenn über den Ausschluss des Umgangsrechts zu entscheiden sei.

Allerdings könne eine Anhörung der betroffenen Kinder im Beschwerdeverfahren unterbleiben, wenn schwerwiegende Gründe vorliegen. Ob dies der Fall sei, müsse das Beschwerdegericht feststellen und beurteilen. Liegen solche Gründe vor, kann von der Anhörung der Kinder abgesehen werden, um diese nicht unnötig zu belasten. Im Ergebnis bestätigte das Bundesverfassungsgericht, dass der Vater durch die Entscheidungen des Familien- und Oberlandesgericht in seinem Elternrecht nicht verletzt worden sei.

Einfluss auf diese Entscheidung hatte sicherlich auch das – neue – Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder. Dieses Gesetz soll Kinder schützen und zur Durchsetzung ihrer Rechte beitragen. Hierzu gehört auch das Recht, im familiengerichtlichen Verfahren angehört zu werden. Führt die Anhörung zu einer unerträglichen Belastung, muss sie unterbleiben. Das Wohl des Kindes gebietet diese Auslegung.

Margarete Fabricius-Brand

Margarete Fabricius-Brand

Als Fachanwältin für Familienrecht mit langjähriger Praxiserfahrung und Diplom-Psychologin verfüge ich über Spezialkenntnisse, die mich befähigen, Ihre familienrechtlichen Probleme zu lösen.