Adoption für alle – die Besonderheit der Stiefkindadoption

I. Adoption auch für schwule Ehepaare?

Kinder und Erwachsene können auf sehr unterschiedliche Weise eine Familie werden. Dies zeigt uns das Gesetz „Ehe für alle“, das am 30. Juni 2017 verabschiedet wurde. Es erlaubt zwei schwulen Männern und zwei lesbischen Frauen die Heirat und – noch vor kurzem undenkbar – die Adoption eines Kindes. So können lesbische und schwule Ehepartner zu einer „richtigen“ Familie werden.

Dies steht allerdings unter dem Vorbehalt, daß der grundgesetzliche Schutz nicht nur für eine Ehe und Familie zwischen Mann und Frau gilt. Es bleibt abzuwarten, ob bzw. wie das Bundesverfassungsgericht hierüber entscheiden wird.

II. Was versteht man unter einer Stiefkindadoption?

Die Stiefkindadoption ist juristisch „ungefährdet“, daß sie menschlich allseits belastend sein kann, zeigt der folgende Fall aus meiner Praxis:
Frau A. und ihr Ehemann A. hatten schon lange einen unerfüllten Kinderwunsch. Dann beichtete Herr A. seiner Frau, er habe eine verheiratete Frau geschwängert. Diese habe vor wenigen Tagen ein Mädchen geboren, die Mutter habe die Geburt nicht überlebt. Der Ehemann der Verstorbenen wollte das Kuckuckskind nicht sehen und gab es zur Adoption frei. Das Mädchen kam sofort in eine Bereitschaftspflege. Frau A., die ihrem Mann längst verziehen hatte, wollte mit ihm das Kind gemeinsam wie ein eigenes aufziehen. Sie hatten große Sorge, der Ehemann der Verstorbenen könne andere Adoptiveltern aussuchen.

III. Die leiblichen Eltern müssen einer Adoption zustimmen

Der Ehemann der Verstorbenen ist der rechtliche Vater des Kindes und darf es jederzeit zur Adoption freigeben. Die Adoptiveltern allerdings sucht nicht er, sondern das Jugendamt aus, insoweit konnte ich die Eheleute A. beruhigen.

Weiterhin darf eine Adoption auch nur mit Zustimmung der leiblichen Eltern erfolgen. Deswegen war mein Rat, Herr A. möge der Adoption unverzüglich gegenüber dem Jugendamt widersprechen. Außerdem muß Herr A. die Vaterschaft des Ehemannes der Verstorbenen vor dem Familiengericht anfechten und seine Anerkennung als leiblicher Vater beantragen. Das Familiengericht wird ihm die Anerkennung nicht verweigern, denn zwischen rechtlichem Vater und Kind besteht – noch – keine schützenswerte Beziehung.

Herrn A. riet ich dann, die gesetzliche Anfechtungsfrist von zwei Jahren nicht auszuschöpfen, denn in dieser Zeit könnte das Kind eine wiederum schützenswerte Bindung zu den Pflegeeltern aufbauen. Es ist psychologisches Allgemeinwissen, daß die ersten Lebensmonate eines Kindes prägend und schützenswert sind.

IV. Rechte und Pflichten der Adoptivmutter

Anders als beim leiblichen Vater kann Frau A. nur durch die sog. Stiefkindadoption rechtliche Mutter des Kindes werden. Da sie älter als 21 Jahre war und der Altersunterschied zum Stiefkind nicht mehr als 40 Jahre betrug, waren diese formalen Voraussetzungen erfüllt.

Eine Adoption soll nur dann erfolgen, wenn sich hierdurch die Lebensbedingungen für das Kind verbessern. Das wird immer dann bejaht, wenn sich durch die Adoption eine Eltern-Kind-Beziehung entwickelt. Um das herausfinden zu können, muß beantragt werden, daß das Kind zunächst mit dem leiblichen Vater und seiner Ehefrau in einem Haushalt zusammen lebt. Dies nennt man Pflegezeit, in der das Jugendamt überprüft, ob sich ein Mutter-Kind-Verhältnis entwickelt hat und ob Frau A. als rechtliche Mutter geeignet ist.

Kommt das Jugendamt zu dieser Überzeugung, spricht wiederum das Familiengericht mit Zustimmung des leiblichen Vaters die Adoption aus. Dann hat Frau A. die gleichen Rechte wie eine leibliche Mutter, und die Tochter hat die gleichen Rechte – später auch die gleichen Pflichten – wie ein gemeinsames eheliches Kind. Das Kind ist u. a. unterhalts- und erbberechtigt und trägt zukünftig auch den Familiennamen seiner Eltern.

Margarete Fabricius-Brand

Margarete Fabricius-Brand

Als Fachanwältin für Familienrecht mit langjähriger Praxiserfahrung und Diplom-Psychologin verfüge ich über Spezialkenntnisse, die mich befähigen, Ihre familienrechtlichen Probleme zu lösen.